Opening night

ein Film von John Cassavetes

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Peripher
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Method acting als Thema: was das ist, wie man daran arbeitet, das zeigt OPENING NIGHT geradezu didaktisch in einem exemplarischen Handlungsdetail des Stücks »The Second Woman«. Nachträgliche Proben sind nötig, weil Myrtle Schwierigkeiten mit einer Aktion hat, von der sie sich gedemütigt fühlt: sie muß eine Ohrfeige von Maurice hinnehmen. Eine Vorstellung schmeißt sie, weil sie die Aggression psychisch nicht erträgt. Bei einer Probe, die dazu dienen soll, ihr den von ihr bestrittenen Sinn der Aktion (daß sie in diesem Augenblick »richtig« ist) zu vermitteln, weicht sie dem Schlag aus oder läßt sich fallen. Da endlich scheint Manny, der Regisseur, etwas zu begreifen - und es ist so, als erinnerte sich der Schauspieler Ben Gazzara an seine Rolle als Harry in HUSBANDS, an jenen Harry, dem von Gus vorgeworfen wurde: »You.can't even vomit« -, und er veranlaßt Myrtle dazu, ihren wirklichen Gefühlen in dieser doppelten Demütigung (als Frau, die einen Schlag hinnehmen soll; als Schauspielerin, die nicht zu spielen imstande ist, einen Schlag hinzunehmen) körperlichen Ausdruck zu geben, »to vomit« gleichermaßen. Und Myrtle schlägt zu, sie schlägt Maurice und Manny. Gedreht ist OPENING NIGHT, wie auch Cassavetes betont, eher konventionell: »Wir haben nicht diese starken Sachen gemacht, von denen wir wissen, daß sie Einsamkeit gestalten können: Distanzaufnahme, dann Nahaufnahme, Grundlicht und alles mögliche« - konventionell für Cassavetes. Das heißt auch, daß die Perspektive selbstverständlich von einem Long-shot auf Close-up springen kann (eben hat sich Myrtle, Großaufnahme, den Kopf blutig geschlagen; Jetzt sieht man, Totale, aus großer Distanz, wie sie in Sarahs Badezimmer Ihr Gesicht abwäscht; dann sieht man dasselbe, Großaufnahme, ganz dicht), und das heißt vor allem, daß bei den Bühnenszenen, die vor Publikum spielen, die Kamera »dokumentarisch« gehandhabt wird. Auch das nicht von ungefähr. Cassavetes schafft sich die Situation für das Dokumentarische, dessen »Inszenierung« dazugehört: »Wir haben mit einem >echten< Publikum gedreht, mit 2000 eingeladenen Leuten, denen wir sagten, daß sie alles tun sollten, wozu sie Lust haben: buhen, lachen, rausgehen, klatschen.« So kommt eine einzigartige Korrespondenz zwischen Bühne und Zuschauerraum zustande eine Art von method acting von 2000 Leuten, das von der Kamera im Stil des cinema verite registriert wird, wobei das Spiel auf der Bühne oft teilweise abgedeckt wird durch die unscharfen Umrisse von Köpfen im Parkett. OPENING NIGHT ist zweifellos ein Film, den Cassavetes irgendwann einmal drehen mußte, ein Film der souveränen Selbstvergewisserung, was freilich auch seine Grenzen bezeichnen mag. Die Konstruktion ist von äußerster Raffinesse, die Konstruktion eines Intellektuellen, der zu sein Cassavetes in unzähligen Interviews immer wieder heftig und wütend bestritten hat. Das Drehbuch, so erzählte er Laurence Gavron, ist über viele Jahre hin entstanden, »mal hier einen Monat, mal da einen Monat« ; der Stoff beschäftigte ihn unentwegt; und dann verging etwa ein ganzes Jahr, ehe der Film fertig wurde. Die Produktionskosten beliefen sich auf über anderthalb Millionen Dollar, die Cassavetes sich zusammenborgte; die erste Schnittfassung soll fünf Stunden lang gewesen sein. OPENING NIGHT wurde in den USA mit nur einer Kopie gestartet; seine Produktionskosten hat der Film gewiß nicht eingespielt.

(Peter W. Jansen)