Method acting als Thema: was das ist, wie man daran arbeitet, das zeigt 
          OPENING NIGHT geradezu didaktisch in einem exemplarischen Handlungsdetail 
          des Stücks »The Second Woman«. Nachträgliche Proben sind nötig, weil 
          Myrtle Schwierigkeiten mit einer Aktion hat, von der sie sich gedemütigt 
          fühlt: sie muß eine Ohrfeige von Maurice hinnehmen. Eine Vorstellung 
          schmeißt sie, weil sie die Aggression psychisch nicht erträgt. Bei einer 
          Probe, die dazu dienen soll, ihr den von ihr bestrittenen Sinn der Aktion 
          (daß sie in diesem Augenblick »richtig« ist) zu vermitteln, weicht sie 
          dem Schlag aus oder läßt sich fallen. Da endlich scheint Manny, der 
          Regisseur, etwas zu begreifen - und es ist so, als erinnerte sich der 
          Schauspieler Ben Gazzara an seine Rolle als Harry in HUSBANDS, an jenen 
          Harry, dem von Gus vorgeworfen wurde: »You.can't even vomit« -, und 
          er veranlaßt Myrtle dazu, ihren wirklichen Gefühlen in dieser doppelten 
          Demütigung (als Frau, die einen Schlag hinnehmen soll; als Schauspielerin, 
          die nicht zu spielen imstande ist, einen Schlag hinzunehmen) körperlichen 
          Ausdruck zu geben, »to vomit« gleichermaßen. Und Myrtle schlägt zu, 
          sie schlägt Maurice und Manny. Gedreht ist OPENING NIGHT, wie auch Cassavetes 
          betont, eher konventionell: »Wir haben nicht diese starken Sachen gemacht, 
          von denen wir wissen, daß sie Einsamkeit gestalten können: Distanzaufnahme, 
          dann Nahaufnahme, Grundlicht und alles mögliche« - konventionell für 
          Cassavetes. Das heißt auch, daß die Perspektive selbstverständlich von 
          einem Long-shot auf Close-up springen kann (eben hat sich Myrtle, Großaufnahme, 
          den Kopf blutig geschlagen; Jetzt sieht man, Totale, aus großer Distanz, 
          wie sie in Sarahs Badezimmer Ihr Gesicht abwäscht; dann sieht man dasselbe, 
          Großaufnahme, ganz dicht), und das heißt vor allem, daß bei den Bühnenszenen, 
          die vor Publikum spielen, die Kamera »dokumentarisch« gehandhabt wird. 
          Auch das nicht von ungefähr. Cassavetes schafft sich die Situation für 
          das Dokumentarische, dessen »Inszenierung« dazugehört: »Wir haben mit 
          einem >echten< Publikum gedreht, mit 2000 eingeladenen Leuten, denen 
          wir sagten, daß sie alles tun sollten, wozu sie Lust haben: buhen, lachen, 
          rausgehen, klatschen.« So kommt eine einzigartige Korrespondenz zwischen 
          Bühne und Zuschauerraum zustande eine Art von method acting von 2000 
          Leuten, das von der Kamera im Stil des cinema verite registriert wird, 
          wobei das Spiel auf der Bühne oft teilweise abgedeckt wird durch die 
          unscharfen Umrisse von Köpfen im Parkett. OPENING NIGHT ist zweifellos 
          ein Film, den Cassavetes irgendwann einmal drehen mußte, ein Film der 
          souveränen Selbstvergewisserung, was freilich auch seine Grenzen bezeichnen 
          mag. Die Konstruktion ist von äußerster Raffinesse, die Konstruktion 
          eines Intellektuellen, der zu sein Cassavetes in unzähligen Interviews 
          immer wieder heftig und wütend bestritten hat. Das Drehbuch, so erzählte 
          er Laurence Gavron, ist über viele Jahre hin entstanden, »mal hier einen 
          Monat, mal da einen Monat« ; der Stoff beschäftigte ihn unentwegt; und 
          dann verging etwa ein ganzes Jahr, ehe der Film fertig wurde. Die Produktionskosten 
          beliefen sich auf über anderthalb Millionen Dollar, die Cassavetes sich 
          zusammenborgte; die erste Schnittfassung soll fünf Stunden lang gewesen 
          sein. OPENING NIGHT wurde in den USA mit nur einer Kopie gestartet; 
          seine Produktionskosten hat der Film gewiß nicht eingespielt. 
        (Peter W. Jansen)