Police,
adjective
ein Film von Corneliu Porumboiu
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Aus einem Interview mit Corneliu Porumboiu, von Marcus Rothe
Gingen Sie bei der Entwicklung der Geschichte von der Figur des
Polizisten aus oder ging es Ihnen eher um abstrakte Themen wie
Machtmissbrauch, Wortspiele etc.?
Die Inspiration zu meinen Filmen erhalte ich, wenn ich das Leben um
mich herum beobachte. Ein Freund von mir arbeitet für die lokale
Polizei und er erzählte mir von seinen täglichen Erfahrungen. Etwas
später las ich in der Zeitung die Nachricht von einem Mann, der seinen
Bruder bei der Polizei fürs Dealen mit Haschisch angezeigt hatte. Ich
fand das hochinteressant.
Was genau fanden Sie an der Geschichte interessant?
Nicht die Konsequenzen des Delikts oder was danach vor Gericht geschah.
Es war die Vorstellung vom Verrat zwischen zwei Brüdern, die meine
Fantasie ankurbelte. Ich begann mit der Arbeit an einem Drehbuch und
recherchierte, wie die Polizei die Beschattung von Verdächtigen
organisiert. Das fand ich faszinierend.
Würden Sie sagen, dass «Police, adjective» auch Themen Ihres ersten
Films aufgreift?
Für mich ist es ein zeitgenössischer filmischer Ansatz, eine absurde
Geschichte in fast dokumentarischer Weise zu erzählen. Am Ende ist es
ein Film sowohl über die Bedeutung von Worten als auch über den Begriff
«Gesetz». Ich beschäftige mich gerne mit dem Sinn, den wir Begriffen
wie «Moral», «Gesetz» und «Gewissen» zuordnen.
Sie zeigen in Echtzeit, wie Cristi einen jungen Verdächtigen
beschattet. War dies auch ein Ansatzpunkt zur Erforschung des täglichen
Lebens in der heutigen rumänischen Gesellschaft?
Sicher. Wir sehen den Polizisten in einer Welt des Übergangs, in
welcher alle Figuren sich auf dem Weg von einer alten zu einer neuen
Gesellschaft befinden. Es ist das Portrait des heutigen Rumäniens,
eines Landes, das vor Kurzem Mitglied der EU wurde, sich aber noch im
Wandel befindet.
Viele Szenen im Film kommen ohne grosse Handlung aus. Man sieht viel
Verwahrlosung und viel komplizierte Bürokratie und Engstirnigkeit.
Steht all das auch für den Unwillen der rumänischen Gesellschaft, sich
zu verändern und nach vorne zu blicken?
Mir geht es nicht wirklich um die Stagnation unserer Gesellschaft oder
ihre Unfähigkeit, sich zu verändern. Mich interessiert viel mehr, wie
Cristi mit der Situation im heutigen Rumänien umgeht. Der ganze
bürokratische Verkehr – Recherchieren von Namen, Akten anlegen, sich
mit anderen Abteilungen absprechen – ist Teil der Ermittlungen. Alles
braucht viel Zeit und viel Energie, weil Cristis Arbeit dazu dient, die
Wahrheit herauszufinden. Er versucht, vorschriftsmässig vorzugehen und
schreibt immer alles genau auf. Dann muss er weitere Berichte einholen
über Leute, die in seinen Fall involviert sind. All das erscheint
extrem bürokratisch, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass wir alle
als Akten für jemand anders dienen.
Ihr letzter Film war eine ironische Auseinandersetzung mit
geschichtlicher Heldenverehrung. Nun ist die Hauptfigur kein Held, der
eine schwierige Herausforderung meistert, sondern ein einfacher
Polizist, der mit seinem Gewissen hadert.
Als Regisseur interessieren mich einfache Menschen. Ich will keine
Filme über grosse Helden machen. Für mich soll Kino ein Abbild der Zeit
sein, in der wir leben. «Police, Adjective» konzentriert sich darauf,
wie wir Begriffe benutzen und missbrauchen. Am Ende von «12:08 East of
Bucharest» standen plötzlich ganz viele verschiedene Definitionen der
Revolution im Raum. Jetzt versuche ich herauszufinden, was genau hinter
Worten steckt, wie Begriffe interpretiert werden und wie verschieden
die Bedeutungen dahinter sind. «Police, Adjective» kulminiert in einer
Szene, in welcher ein rumänisches Wörterbuch Begriffe wie «Gewissen»
und «Gesetz» erklären soll – nur tut es das dann doch nicht.
Cristi ist nicht eine unmittelbar sympathische Figur und es braucht
Zeit, um ihn zu mögen und zu verstehen. Wie sind Sie vorgegangen, um
Empathie für seine Figur zu entwickeln und das Interesse des Publikums
an seiner Figur zu wecken?
Meine wichtigste Quelle war mein Freund, der bei der Polizei arbeitet.
Dadurch, dass man Cristi so detailliert bei der Arbeit zuschauen kann,
erscheint er irgendwie liebevoll. Schon beim Schreiben des Drehbuchs
waren mir die ganz kleinen Schritte in seiner Arbeit wichtig. Sein
Charakter drückt sich in kleinen Details aus. Ich wollte die Leute
nicht zwingen, sich mit ihm identifizieren zu müssen oder seine Motive
offensichtlich machen. Es war besser, die Geschichte ihren Gang nehmen
zu lassen, ohne zusätzliche Elemente, die ihn schnell attraktiv würden
erscheinen lassen. Am Ende überrascht er uns, als er nach Vorschrift
handelt. Und trotzdem behält er seine Identität. Cristi ist ein durch
und durch professioneller Mensch, seiner Arbeit verpflichtet, selbst
wenn es um einen sinnlosen Fall geht. Das macht ihn speziell.
Er befindet sich also in einem Konflikt zwischen Gesetz und
Gerechtigkeit?
Genau. Wir sollten grundsätzlich ein besseres Verständnis dafür haben,
was die beiden Begriffe genau bedeuten. Am Anfang des Films hält es
Cristi für falsch, zwei Freunde gegeneinander auszuspielen, sie zu Kain
und Abel werden zu lassen. In der letzten Auseinandersetzung mit seinem
Chef muss er seinem Gewissen folgen, das ihn davon abhält, etwas zu
tun, das er später bereuen wird. Sein Chef besteht darauf, das Gesetz
zu befolgen. Aber was geschieht mit seinem Gewissen, wenn er tut was
man ihm sagt?
Wer ausser die Hercule Poirot-Serien hat Ihren Film sonst noch
beeinflusst?
Ich schaue viele Krimis weil ich immer gerne spekuliere, was als
nächstes passiert. Vom Stil her hinterliess sicher «Pickpocket» seine
Spuren und generell Robert Bressons Art und Weise, seinen Figuren zu
folgen. Bei ihm öffnen sich immer Türen oder man geht einen Korridor
entlang. Ich glaube, die Körpersprache von Bressons Figuren ist ein
grosser Einfluss im Film. Gleichzeitig dachte ich oft an Antonionis
«Blow Up», als ich die langen Szenen ohne Dialog drehte.
Es gibt in diesem Film viel weniger Dialog als in Ihrem letzten,
aber
die wenigen Passagen scheinen sehr sorgfältig ausgewählt und sagen viel
aus über die Figuren und den Zustand der Gesellschaft.
Alles im Film, und speziell die Szenen mit wenig Action, unterstreicht
die Absurdität des letzten Dialogs zwischen dem rebellierenden
Polizisten und seinem Vorgesetzten. Davor, wenn Cristi auf dem Posten
mit Kollegen spricht, geht es fast immer nur um den Begriff Zeit: Wann
hast du diesen Fall übernommen? Wann kann ich mit den Infos zu den
Verdächtigen rechnen? Die Situation ist absurd, denn alle sind mit
etwas anderem beschäftig und keiner hält Cristis Arbeit für sehr
relevant. Zeit zu finden für etwas wird zu einem grossen Problem für
die Figuren und so wird der Film allmählich zu einem Film über die Zeit.
Cristi ist ein idealistischer Polizist, der gegen ein zynisches
System
kämpft, welches die Menschen bricht und sie zu Zahnrädern in einer
Maschine degradiert. Sehen Sie ihn auch als tragischen Charakter?
Überhaupt nicht. Am Ende erteilt ihm sein Boss eine Lektion zur
Bedeutung von «Gesetz» und «Gewissen» und Cristi akzeptiert das. Ich
wollte keine tragische Figur schaffen, sondern nur einfach jemanden
zeigen, der ein guter Polizist sein will.