

W. R. – Mysteries of the
Organism
[Inhalt]
[Biographie]
[Credits]
[Über den Film] [Interview] [Pressematerial
INHALT
Ein mysteriöser Film um die Lehren des
Psychoanalytikers und Sexologen Wilhelm Reich, dessen Initialen den
Titel des Films bilden, aber auch um die sexuelle Leidenschaft zwischen
einer jungen Jugoslawin und einem sowjetischen Eiskunstläufer. Sex und
Politik waren die Themen des Serben Makavejev, er konnte sie jedoch
kaum öffentlich verhandeln, floh ins Surrealistische, wo er ganz gut
zurechtkam.
Dušan Makavejev ist einer der eigenwilligsten Regisseure des
europäischen Autorenkinos der sechziger Jahre. Manche Kritiker
behaupten sogar, dass er die Subversion erst erfunden habe: Für den
Serben bedeutete Subversion zugleich die einzige Möglichkeit, überhaupt
Filme zu machen. Seine Lieblingssujets Sex und Politik taugten hinter
dem Eisernen Vorhang weder einzeln noch in Kombination als öffentliche
Themen. Über seinen Stil sagte er einmal, dass„ ein Guerilla jede Waffe
nutzen darf, die ihm zur Verfügung steht: Pflastersteine, Kugeln,
Slogans, Musik. Genauso ist es mit Film. Wir können benutzen,
was uns in die Hände fällt: Fiktion, Dokumentationen, Kulturfilme,
Werbung. Es kommt nicht auf den Stil an. Man muss sich den
Überraschungsmoment zunutze machen.“
Auf keinen seiner Filme trifft diese Einschätzung besser zu als auf
W.R. – DIE MYSTERIEN DES ORGANISMUS. Die Zeit hat diesem Film keinen
Schaden zugefügt. Solche Filme gibt es nicht mehr! Ein
Filmdokument aus einer Zeit, als das Wort ‘Konterrevolution‘ noch einen
bedrohlichen Nachklang besaß.
Andreas Busche
[zurück
nach
oben]
Credits
Originaltitel:
W.R. – Misterije organizma
Regie: Dušan
Makavejev
Land:
Jugoslawien, Bundesrepublik Deutschland 1971. Produktion:
Neoplanta, Novi Sad; Telepool, München. Regie, Drehbuch:
Dušan
Makavejev. Kamera:
Aleksandar Petković, Predrag Popović.
Musik: Bojana Makavejev. Schnitt: Ivanka
Vukasović.
Darsteller: Milena
Dravić (Milena), Jagoda Kaloper (Jagoda), Ivica Vidović (Vladimir
Iljić), Tuli Kupferberg (US-Soldat), Zoran Radmilović
(Radmilović), Miodrag Andrić (Soldat), Zivka Matić (Vermieterin),
Dragoljub Ivkov, Nikola Milić, Milan Jelić, Betty Dodson, Jim Buckley,
Nancy Godrey, Jackie Curtis u. v. a.
Format: 35mm,
1:1.33, Farbe, Schwarzweiß. Länge:
84 Minuten, 24 Bilder/Sekunde. Originalsprachen:
Englisch, Serbisch. Originalfassung mit englischen Untertiteln
Uraufführung: Mai
1971, Internationale Filmfestspiele, Cannes.
Verleih: Freunde der dt. Kinemathek
Pressematerial
-
www.kinopresseservice.de
[zurück
nach
oben]
Biografie 
Biografie
Dušan
Makavejev wurde am 13. Oktober 1932 in Belgrad geboren. Er studierte
Psychologie und Filmregie. Nach zahlreichen Kurzfilmen inszenierte er
1965 seinen ersten Spielfilm Čovek
nije tica (Der Mensch ist
kein Vogel). Mehrere seiner Filme fielen wegen ihrer politischen und
sexuellen Themen immer wieder der Zensur zum Opfer. Makavejev verließ
1973 Jugoslawien und unterrichtete in den USA an verschiedenen
Universitäten.
Filme
1953: Jatagan mala. 1955: Pečat
(The Seal). 1957: Antonijevo razbijeno ogledalo. 1958: Spomenicima ne
treba verovati (I Don’t Believe in Monuments); Slikovnica pčelava
(Beekeeper’s Scrapbook); Prokleti praznik (Damned Holiday); Kosnice
pune smijeka; Boje sanjaju (Colors Are Dreaming). 1959: Sto je radnicki
savjet? (What Is a Workers Council?). 1961: Pedagoska bajka; Eci, pec,
pec; Osmjek 61 (Smile 61). 1962: Ljepotica 62 (Miss Beauty 62); Film o
knjizi A.B.C. (About a Book); Parada; Dole plotovi (Down With the
Fences). 1964: Nova domaca životinja (New Domestic Animal); Nova
igračka (New Toy). 1965: Čovek nije tica (Man Is Not a Bird). 1967:
Ljubavni slučaj ili tragedija službenice P.T.T. (Love Affair). 1968:
Nevinost bez zaštite (Innocence Unprotected). 1971: W.R. – MISTERIJE
ORGANIZMA (W.R. – MYSTERIES
OF THE ORGANISM). 1974: Sweet Movie.
1981: Montenegro. 1985: The Coca-Cola Kid. 1988: Manifesto. 1993:
Gorilla Bathes at Noon. 1994: Rupa u duši (Hole in the Soul,
autobiographical documentary). 1996: Danske piger viser alt (Danish
Girls Show Everything).
[zurück
nach oben]
Über
den Film
Politische
und sexuelle Befreiung
Während
der Blütezeit der Gegenkultur in den sechziger und siebziger Jahren
überwanden einige mutige Regisseure die Grenzen des konventionellen Filmemachens
und hatten nicht nur einen etwas zwiespältigen Ruf sowie
Probleme mit der Zensur, sondern auch erstaunlich viele Zuschauer.
Einer der wichtigsten von ihnen war Dušan Makavejev. Der 1932 in
Belgrad geborene Sohn serbischer Eltern war wie viele seiner französischen
Kollegen in den späten vierziger und fünfziger Jahren von lokalen
Filmclubs beeinflusst, in denen er ein breites Spektrum der
Filmgeschichte, von britischen Dokumentarfilmen der dreißiger Jahre bis
zu bedeutenden russischen Stummfilmen sah. Er drehte mehr als ein
Dutzend kurze Dokumentarfilme für verschiedene jugoslawische Produktionsfirmen,
bis er 1965 seinen ersten Spielfilm
Čovek nije tica (Der Mensch
ist kein Vogel) realisieren konnte.
Makavejevs
Engagement für die politische und die sexuelle Befreiung – beides
war für ihn untrennbar miteinander verbunden – war schon in
den Anfängen seiner Karriere unübersehbar. Sein 1958 entstandener
Kurzfilm
Spomenicima ne treba
verovati wurde beim Filmfestival in Cannes
hoch gelobt und zuhause von der Zensur verfolgt; die
jugoslawischen Behörden gaben ihn wegen einer „übertrieben erotischen”
Verführungsszene fünf Jahre lang nicht frei. Dies war der erste von
zahlreichen Konflikten mit der Zensur, die seine Karriere
behinderten
und zweifelsohne dazu beitrugen, dass er nicht den ihm gebührenden
Ruf als einer der bedeutendsten Filmkünstler der Nachkriegszeit genießt.
Makavejevs
berühmtester Film ist W.R. – DIE MYSTERIEN DES ORGANISMUS, und obwohl
einige Kritiker anmerkten, dass seine Collagemethode hier etwas
außer Kontrolle geraten sei, ist die Verbindung von Stoff
und Künstler bei diesem Film doch perfekt. Das ‘W.R.‘ des Titels
bezieht sich auf den umstrittenen Psychologen und Philosophen Wilhelm
Reich, dessen Behauptung, mit dem von ihm konstruierten
‘Orgon-Akkumulator’ könnten Krebs und andere Krankheiten geheilt
werden, ihm eine Haftstrafe eintrug, während der er 1958 in einem
Gefängnis in Pennsylvania starb. Reich war wie Makavejev ein
entschiedener Freigeist, den die Verachtung der individuellen
Kreativität im Kommunismus als auch die Verklärung des Konsums im
Kapitalismus gleichermaßen anwiderten. Beide waren überzeugt davon,
dass – wie Reich im Film zitiert wird – „Faschismus der Wahn sexuell
Verkrüppelter” ist. Makavejevs Hymne an Reich ist ein Kaleidoskop von
Elementen und Effekten, eine wilde Mischung: mal aufrichtige Würdigung
eines missachteten Vordenkers, mal Pamphlet gegen den Krieg und andere,
eher individuelle Grausamkeiten, mal Satire auf den Kommunismus, mal
Plädoyer für Freiheit in jeglicher Hinsicht.
W.R. – DIE MYSTERIEN DES ORGANISMUS, in Jugoslawien und den USA
gedreht, enthält viele Reich-Zitate, ein paar Aufnahmen von ihm und
seiner Frau, Interviews mit seinen Familienmitgliedern und Anhängern
sowie Nachbarn aus Maine, die Reich als leicht exzentrischen, im Grunde
aber angenehmen Zeitgenossen beschreiben. Der Film ist eine skurrile
Collage aus visuellen Zitaten, die von der ironisch gebrochenen
Stalinvergötterung in einem alten russischen Melodram bis zu
grauenhaften Filmaufnahmen von Elektroschockbehandlungen im Dritten
Reich reichen. W.R. – DIE MYSTERIEN DES ORGANISMUS bekämpft diese
Gräuel mit Humor, Satire und Sex. Der Film attackiert den Krieg in
Person des Poeten Tuli Kupferberg, der in absurder Kostümierung mit
einer Gewehrattrappe durch die Straßen von New York stolziert und
Passanten anrempelt. Dass auch W.R. – DIE MYSTERIEN DES ORGANISMUS
Probleme mit der Zensur bekam, kam nicht überraschend; Makavejev
verließ das ehemalige Jugoslawien, nachdem sein Film dort 1971 verboten
wurde.
Gary Morris, www.brightlightsfilm.com, Nr. 33, Juli 2001
[zurück
nach oben]
Interview mit dem Regisseur
Frage: Sprechen wir über
Ihren Hintergrund: woher Sie kommen, wie Sie zum Film kamen ...
Dušan Makavejev: Ich schätze, ich stamme aus Belgrad in
Jugoslawien, einer Stadt, auf die ich nach dem kürzlich erfolgten
Regierungswechsel (Slobodan Miloševićs Absetzung am 5. Oktober 2000;
A.d.R.) und nach dreizehn Jahren endlich wieder stolz sein kann. Ich
war immer stolz auf meine Stadt, aber dreizehn Jahre lang konnte ich
niemanden von ihren Qualitäten überzeugen. Vor etwa achtundsechzig
Jahren wurde ich dort geboren, in jener Straße, die in meinem Film Rupa u
dusi (1994)
zu sehen ist. Es ist die König-Milutin-Straße, die nach einem der
berühmten serbischen Könige des 12. Jahrhunderts benannt wurde. Es
heißt, er habe vierzig Klöster für die insgesamt vierzig Jahre seiner
Regentschaft erbauen lassen, um so für alle Sünden und Morde zu büßen,
die er begangen hatte. Er muss viele schlimme Dinge getan haben, denn
vierzig Kirchen sind eine Menge. Ich wuchs in den späten dreißiger
Jahren auf, als sich der Zweite Weltkrieg bereits abzeichnete. 1937
entstand der erste abendfüllende Zeichentrickfilm, Disneys
Schneewittchen und die sieben Zwerge. Ich war damals fünf Jahre alt und
sehr stolz auf den Film: Ich hatte das Gefühl, er wäre eigens für mich
und meine Generation gedreht worden.
Dann habe ich eine seltsame Erinnerung, bei der ich mich immer noch
frage, ob sie wirklich stimmen kann: dass nämlich Schneewittchen und
die sieben Zwerge deutsch sprachen. Der Krieg erreichte Jugoslawien im
April 1941, und man brachte uns in eine Schule, um Schneewittchen und
die sieben Zwerge anzusehen. Die USA hatten Deutschland noch nicht den
Krieg erklärt; Pearl Harbour war noch nicht bombardiert worden. Ich sah
also eine deutsch synchronisierte Fassung von Schneewittchen und die
sieben Zwerge. Vermutlich sangen sie ‘Hi-ho’ auf Englisch, aber der
Rest war bestimmt deutsch. Vielleicht sollte ich an das Archiv von
Disney schreiben, um herauszubekommen, ob das möglich gewesen sein kann
oder ob meine Erinnerung mich täuscht.
Frage: Glauben Sie, dass
dieses Erlebnis Ihren späteren Entschluss,
Filme zu machen,
beeinflusst hat?
D.M.: Nun, so wie alles andere auch. Man sieht so viele
Filme, dass das Kino irgendwann Teil des eigenen Lebens wird. Schon
wenn man zehn gesehen hat, werden sie Teil von einem. Filme begleiten
einen als Bezugspunkte, als traumähnliche Erfahrungen, die uns helfen,
mit dem, was wir in unserem Leben nicht verstehen, umzugehen. Filme
bieten uns Lösungen oder zumindest einen unterschwelligen Kommentar zu
dem, was um uns herum geschieht.
Frage: Einige Zeit
später haben Sie Ihr Studium der Psychologie abgeschlossen.
D.M.: Ich habe an einer guten psychologischen Fakultät studiert. Einige
meiner Professoren am Anfang des Studiums waren betagte, in Deutschland
ausgebildete Dozenten. Wir haben uns mit Gestaltpsychologie
beschäftigt, später auch mit Freud und seinen Theorien, weil wir einen
Professor hatten, der in Wien bei einem von Freuds Schülern studiert
hatte. In den frühen fünfziger Jahren entdeckte ich Wilhelm Reich und
versuchte vergeblich, mir Texte von ihm zu besorgen. Ich
wusste nicht, dass er damals im Gefängnis war. Ich versuchte, seine
Bücher in den USA zu bestellen, erfuhr aber, dass der Verlag nicht mehr
existierte. Letztlich wurde per Gerichtsbeschluss verfügt, dass all
seine Bücher verbrannt werden sollten. Erich Fromm war auch wichtig für
mich in diesen Jahren, vor allem Werke wie Die Furcht vor der Freiheit
(1941), The Sane Society (Wege aus einer kranken Gesellschaft,1955) und
andere.
Frage: Damals kamen Sie
auch in Kontakt mit der jugoslawischen Novi-
Film-Bewegung.
D.M.: Wir hatten das Glück, dass das US-amerikanische Kino
in eine tiefe Krise geriet. Hollywood war zu teuer. Deshalb kamen
amerikanische Produzenten nach Jugoslawien, um in unseren Studios zu
drehen. Sie produzierten Filme in Italien, Griechenland, Spanien und
eben Jugoslawien. Die Regierungen dieser Länder stellten für wenig Geld
unzählige Soldaten zur Verfügung. Außerdem gab es viele Pferde, die
nicht getötet wurden wie in den USA. Dazu kamen preiswerte Handwerker,
zum Beispiel Schreiner, und vieles andere mehr. Diese Umstände hatten
Einfluss auf die Atmosphäre, in der mein erster Film Čovek nije tica
(Der Mensch ist kein Vogel, 1965) ausschließlich an
Originalschauplätzen entstand. Die Studios waren mit Riesenproduktionen
wie 55 Days at Peking
(1963, Regie: Nicholas Ray) oder The
Long Ships (1963, Regie: Jack Cardiff) vollständig
ausgelastet.
Meine Filme wurden mit heimischen Mitteln finanziert, aber alle
Studios, in denen ich hätte drehen können, arbeiteten nur noch für
Hollywood, vor allem für die Produzenten Carlo Ponti und Dino de
Laurentiis, denen die Amerikaner Geld gaben, damit sie in Belgrad oder
Zagreb preisgünstig produzierten.
Als ich 1967 meinen zweiten Film Ljubavni
slučaj ili tragedija službenice
P.T.T. (Ein Liebesfall) drehen wollte, wurde mir gesagt:
Du kannst einen weiteren Film machen, aber erst im Frühjahr. Das war im
Herbst. Also schrieb ich mein Drehbuch zu Ende, aber meine Produzenten
sagten: Komm nächstes Frühjahr wieder. Als ich zusammen mit meinem
Kameramann und dem Ausstatter durch das Bürogebäude ging, fragten wir
uns: Warum fangen wir nicht sofort zu drehen an? Im Untergeschoss
fanden wir drei leere Räume, die vor kurzem irgendein Filmteam
verlassen hatte. Wir beschlossen, den Film Love Affair zu
nennen, und der Ausstatter schrieb „Love Affair Filmteam” an die Tür.
Der Film wurde gedreht und war ein Erfolg, obwohl er nie offiziell in
Produktion gegangen war. Die zuständigen Produzenten waren viel zu sehr
mit der gigantischen Hollywoodproduktion beschäftigt, so dass sie
entweder gar nicht bemerkten, was wir da machten, oder es ihnen
gleichgültig war. Wir beschafften uns von der Kameraabteilung eine
Kamera, später gingen wir ins Labor, wo unsere Aufnahmen entwickelt
wurden, weil wir den Technikern sagten, dass wir für das Studio
arbeiten. Diejenigen, die merkten, was wir taten, liebten uns.
Wir waren ein paar junge Männer, die etwas Interessantes machten.
Frage: Glauben Sie, dass
diese Umstände einen Einfluss darauf hatten, dass Sie bei der Nachbearbeitung
diesen Collage-Stil anwendeten, der für Ihre Filme charakteristisch
ist?
D.M.: Wir waren alle von den Kinematheken geprägt. Ich
hatte Hunderte von Experimentalfilmen gesehen, in denen stets kleine
Szenenfragmente und Filmausschnitte verwendet wurden, wie das ja auch
bei Dokumentar- und Propagandafilmen üblich ist. Diese Technik hat es
im Kino schon immer gegeben; sie wurde vor allem bei sozial und
politisch engagierten Filmen eingesetzt.
Als ich noch Kurzfilme drehte, fuhren wir zu diesem wunderbaren
Kurzfilmfestival in Oberhausen. Dort sahen wir einen Pornofilm, der als
Aufklärungsfilm deklariert war. Dieser Film beginnt mit einem Arzt, der
über verschiedene Varianten des Geschlechtsverkehrs spricht. Plötzlich
ist ein großes, rundes Bett zu sehen, auf dem eine nackte Frau liegt,
ein nackter Mann kommt dazu, und sie beginnen sich zu lieben. Das Ganze
wirkt aber sehr asketisch. Dazu hört man aus dem Off die Stimme des
Arztes, der sagt: „Nun befinden sie sich in der Missionarsstellung.
Aber sie können sich auch in folgende Stellung begeben.” Daraufhin
nehmen sie andere Positionen ein, wie Marionetten,
die von der Stimme des Arztes ferngesteuert werden. Was da auf der
Leinwand gezeigt wurde, war absolut vulgär, aber der Arzt sprach in
völlig wissenschaftlichem, nüchternem Ton. Diese Diskrepanz war
unglaublich faszinierend. Ich empfand sie sofort als große Qualität.
Die meisten Menschen lachen über so etwas, aber ich erkannte das große
Potenzial, das in dieser Diskrepanz zwischen Off-Kommentar und Bild lag.
Mein dritter Film entstand unter ähnlichen Umständen wie die beiden
vorherigen. Nevinost
bez zastite (Unschuld ohne Schutz, 1968) war noch
erfolgreicher. Wir verkauften ihn sogar ans Fernsehen. Ein Liebesfall kam
für das Fernsehen wegen der Nacktszenen nicht in Frage. In England war
er zwei Jahre lang verboten. Aber in Deutschland lief er überall, wenn
auch in leicht gekürzter Fassung. Dann passierte etwas Seltsames. Ich
drehte meinen vierten Film, W.R. – DIE MYSTERIEN DES ORGANISMUS (1971),
und der wurde tatsächlich noch erfolgreicher als meine anderen Filme.
Ich war offensichtlich auf dem besten Wege der Selbstzerstörung. Aber
reden wir
nicht über W.R., das ist eine sehr lange Geschichte.
Frage: Die kurze
Geschichte ist, dass er Ihnen sehr viele Probleme bescherte.
D.M.: In Jugoslawien kam er erst sechzehn Jahre nach
seiner Entstehung in die Kinos. Sechzehn Jahre lang war er verboten.
Schon als der Film in Produktion war, wurde er per politisches Dekret
verboten, und zwar nicht durch einen Gerichtsbeschluss oder Zensor. Wir
bekamen die Freigabe des Zensors schriftlich, und unsere
Produktionsfirma billigte den Film. Aber wir durften ihn nicht zeigen.
Weil der Film aber überall sonst erfolgreich lief, übersetzte die
jugoslawische Presse
alles, was darüber in zehn oder fünfzehn anderen Ländern veröffentlicht
worden war. Um unseren Film zu verteidigen, stellten wir eine
fünfhundert Seiten umfassende Dokumentation mit Texten zusammen, in
denen er unterstützt wurde. Diese fünfhundert Seiten enthielten
vielleicht zehn oder fünfzehn negative Bemerkungen. Aber das half alles
nichts. Ein Gericht verbot dieses Buch umgehend. Zum Glück hatten wir
es aber schon vorher in Umlauf gebracht. Dann kam ein Polizist zu uns
und erklärte, wir müssten die Bücher von allen, die sie erworben
hatten, zurückfordern, weil es ihnen verboten sei, das Buch zu lesen.
Nicht nur das Buch selbst war verboten, auch die
Lektüre war strafbar. Die ganze Angelegenheit wurde schlimmer und
schlimmer und endete schließlich damit, dass ich zwei Jahre später das
Land verließ.
Interview: Ray Privett, www.sensesofcinema.com, Dezember 2000
[zurück
nach
oben]