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Die Geschichte handelt von den Zwillingsschwestern Jeannie und
Lauren. Jeannie sitzt seit ihrer Jugend querschnittsgelähmt im
Rollstuhl und betreibt zusammen mit ihrer Freundin Amanda einen
Secondhand-Laden.
Lauren steht kurz davor, eine neue Stelle anzutreten, und arbeitet in
der Zwischenzeit aushilfsweise bei Freunden in einer
Landschaftsgärtnerei. Außerdem hat sie sich gerade von ihrem Freund
getrennt und spielt mit dem Gedanken, ins Ausland zu gehen.
Zwischen Jeannie und Amanda gibt es wachsende Spannungen aufgrund ihrer
unterschiedlichen Vorstellungen davon, wie der Laden zu führen ist. Als
Jeannie eine E-Mail von Amanda erhält, in der diese andeutet, wenn
nötig sogar vor Gericht zu gehen, gerät sie in Panik. Unterstützung
findet sie bei ihrem Ex-Freund Merrill, der vor kurzem sein Jurastudium
abgeschlossen hat.
In der Zwischenzeit wird Lauren in eine Familienangelegenheit zu Hause
bei ihrer Mutter hineingezogen, worauf sich die Freundin der Mutter
wiederum in Jeannies Probleme einmischt.
Beeswax ist eine Geschichte über Familien – reale und erfundene –,
über Menschen, die sich um andere kümmern.
Land: USA 2009.
Produktion: Sisters Project, Los Angeles.
Buch, Regie, Schnitt: Andrew Bujalski.
Kamera: Matthias Grunsky.
Produzenten: Houston King, Ethan Voght, Dia Sokol.
Darsteller:
Maggie Hatcher (Lauren),
Tilly Hatcher (Jeannie),
Alex Karpovsky (Merrill),
Katy O’Connor (Corinne),
David Zellner (Scott),
Anne Dodge (Amanda),
Janet Pierson (Sally),
Kyle Henry (Michael).
Format: 35mm (gedreht auf Super16), 1:1.85, Farbe.
Länge: 100 Minuten, 24 Bilder/Sekunde.
Originalsprache: Englisch.
Uraufführung: 9. Februar 2009, Internationales Forum, Berlin.
Weltvertrieb: Houston King,
Verleih: Arsenal - – Institut für Film und Videokunst e.V.
Andrew Bujalski wurde 1977 in Boston, Massachusetts,
geboren. Er studierte am Department of Visual
and Environmental Studies in Harvard. Beeswax
ist nach Funny Ha Ha (2002) und Mutual Appreciation
(2003) sein dritter abendfüllender Spielfilm.
„Prinzipiell mag ich das Genre des Justizsthrillers sehr“
Ihr neuer Film Beeswax ist in Farbe gedreht. Warum haben Sie sich nicht erneut für Schwarzweiß entschieden?
Es ist wirklich merkwürdig: Schon verschiedene Leute haben sich darüber überrascht geäußert, dass Beeswax in Farbe ist. Dabei war mein erster Film Funny Ha Ha auch ein Farbfilm; anscheinend hat er sich in der Erinnerung vieler Menschen in einen Schwarzweißfilm verwandelt. Das Interessante an dieser Art von falscher Erinnerung ist, dass die Menschen sich so sicher sind, zum Beispiel das Messer gesehen zu haben, mit dem Janet Leigh in Psycho erstochen wurde, oder auch gehört zu haben, wie Humphrey Bogart in Casablanca „Play it again, Sam!“ sagt. Ich habe selbstverständlich nichts dagegen, bereits nach einem einzigen Schwarzweißfilm als Schwarzweißfilm-Regisseur kategorisiert zu werden. Im Gegenteil, ich liebe Schwarzweiß, und es fehlt mir bei der Arbeit sehr. Auf der anderen Seite bin ich auch von den Farben in Beeswax sehr fasziniert. Bevor ich mit den Dreharbeiten begann, hatte ich konkret geträumt, der Film werde sehr viele Gelbtöne enthalten. Aber dann fanden wir uns immer wieder an Drehorten und in Situationen wieder, die von Grüntönen beherrscht waren, mit rosa Tupfern darunter. Zwischenzeitlich hatte ich überlegt, den Film „Grün auf Grün“ zu nennen, aber diese Phase ging vorbei.
Wie haben Sie Tilly und Maggie Hatcher kennengelernt?
Maggie ist eine Bekannte von mir aus College-Zeiten. Eigentlich hat
Chantal Akerman sie entdeckt. Ich arbeitete damals gerade an der
Besetzung meines Abschlussfilms, und Chantal beriet mich. Sie hatte
Maggie gesehen, wie sie auf Krücken den Gang hinuntergegangen war – sie
hatte sich beim Rugby-Spielen einen Kreuzbandriss zugezogen. Chantal
sprach sie an und bat sie um ihre Telefonnummer, damit einer ihrer
Studenten sie wegen einer Rolle in einem Film kontaktieren könnte.
Damals habe ich sie allerdings nicht gleich angerufen, und auch heute
habe ich nicht den Mut, Fremde einfach so anzusprechen. Aber ganz
offensichtlich hatte Chantal einen untrügerischen Instinkt. Maggie
gehört zu den charismatischsten Menschen, die ich je getroffen habe,
und das trifft natürlich ebenso auf ihre Schwester Tilly zu. Die
Tatsache, dass die beiden Zwillinge sind, macht sie umso bezaubernder.
Die beiden sind eine Art Supernova des Charmes.
Ich habe einen Halbbruder und Stiefgeschwister, die ich sehr liebe.
Dennoch wuchs ich beinahe wie ein Einzelkind auf, und ich nehme an,
dass ich deshalb die Beziehung zwischen Geschwistern idealisiere. Auch
vor
diesem Hintergrund war die Arbeit mit Tilly und Maggie für mich sehr
erhellend. Mit den meisten meiner Vorurteile über die Beziehungen
zwischen Zwillingsgeschwistern im Allgemeinen und den
Hatcher-Zwillingen im Besonderen lag ich falsch. Jedes Mal, wenn ich
glaubte, Charakterzüge bei den beiden entdeckt zu haben, die völlig
übereinstimmten oder aber absolut gegensätzlich waren, musste ich
meinen Eindruck später wieder revidieren.
Einer der großen Unterschiede zwischen den beiden ist ihre physische Erscheinung.
Ja, eine der Herausforderungen bei der Entwicklung des Films war,
herauszufinden, wie diese physischen Unterschiede in der Geschichte
aufgegriffen werden können, die eigentlich von etwas ganz anderem
handelt.
Zum einen sollte der Rollstuhl nicht im Mittelpunkt des Films stehen –
es war nicht unser Ziel, die Neugier von Leuten zu befriedigen, die
wissen wollen, was es bedeutet, im Rollstuhl zu sitzen. Andererseits
ist der
Rollstuhl sehr präsent, er beeinflusste die Kameraposition in drei
Viertel aller Szenen. Beeswax ist kein Film, der die körperlichen
Einschränkungen ausblendet – das würde in einem Film sowieso nicht
funktionieren.
Die Gründe für das Verhalten der einzelnen Protagonisten sind weitaus
komplexer und gehen auf innere wie äußere Einflüsse zurück.
In der Produktionsmitteilung zu Ihrem Film steht: „Beeswax ist ein Justizthriller, für all diejenigen, die in dem Wort ‚Justizthriller‘ einen Widerspruch in sich sehen.“ Können Sie das erläutern?
Prinzipiell mag ich das Genre des Justizthrillers sehr, manche
Filme, die sich dieser Form bedienen, weniger. Manchmal werden wichtige
Entscheidungen, von denen Leben und Tod abhängen, innerhalb
bürokratischer
Institutionen getroffen; das scheint für viele eine besondere
Faszination zu haben. In vielen Filmen wird der juristische Aspekt
deutlich in den Hintergrund gedrängt, während man den thrill, den
Nervenkitzel,
deutlich betont. Ich glaube, die meisten Menschen, die jemals in ein
Gerichtsverfahren verwickelt waren, haben alles andere als spannende
Erfahrungen gemacht – das ist in einem Film wesentlich schwieriger
darzustellen.
Mich überkommt jedes Mal eine ungeheure Angst, wenn ich ein amtliches
Dokument unterschreiben soll, was immer öfter passiert, seit ich mehr
oder weniger professionell als Filmemacher arbeite. Die Sprache, in der
beispielsweise Verträge gehalten sind, wird oft als Fachchinesisch
bezeichnet. Das ist bestimmt keine Sprache, mit der Menschen Ideen und
Gefühle ausdrücken können; die Juristensprache hat eine ganz andere
Funktion. Mich interessierte eine Geschichte, in der die Grenze
zwischen diesen beiden Welten – unsere Beziehungen im Leben und die auf
dem Papier – zusammenbricht. Vielleicht ist das etwas Ähnliches wie der
Unterschied zwischen Drehbuch und Film?
In vielen Justizthrillern geht es darum, einzelne Punkte so miteinander zu verbinden, dass ein Bild entsteht. Ihre Filme sind bekannt dafür, dass sich die unterschiedlichen Punkte darin nicht zu einem Bild zusammensetzen.
Ich wollte in diesem Film beides haben. Die Szenen in Beeswax sind
kürzer und dichter als in meinen früheren Filmen. In dieser Hinsicht
gibt es eine Verbindung zur klassischen Struktur eines Thrillers. Am
Ende eines
echten Thrillers steht die Erkenntnis, dass alles miteinander in
Verbindung steht. Aber der Querdenker in mir muss darauf hinweisen,
dass diese Verbindungen nicht immer so zwangsläufig und präzise sind,
wie wir
uns das wünschen. Wie alle anderen war auch ich ein großer Fan der
Fernsehserie The Wire, die für mich sehr aufschlussreich war, weil hier
die fehlenden Verbindungen auf spektakulär neuartige Weise in die
Handlung aufgenomen wurden. Aber natürlich möchte ich unseren Film
nicht mit der Serie vergleichen.
Es gibt eine Szene im Film, in der jemand darüber spricht, wie es sein könnte, von einem Bus überfahren zu werden. In dem Moment hört man von draußen das Geräusch eines scharf bremsenden Autos – als ob ein Ton, der im Kopf des Sprechenden existiert, in dem Moment auch für das Publikum zu hören ist. Es ist ein geradezu surrealistischer Effekt in einer ansonsten eher naturalistischen Szene. In diesem Moment läuft man Gefahr, die Perspektive auf das gesamte Geschehen des Films zu ändern.
Manchmal ist es ratsam, die Perspektive zu wechseln.
Interview: Marvin Thomases, Januar 2009