Numd sjarda - Jumalan morsian - A Bride of the Seventh Heaven

[Inhalt] [Biofilmographie] [Credits] [über den Film]

Inhalt
Wo der Fluss Seregg Ngyne entspringt,
dort begann sie, die sieben Zöpfe hat, zu singen.
Sie, die sieben Zöpfe hat und eine Krone aus Metall,
Sie ist eine Braut Gottes.
Über drei Flüsse hinweg können die Menschen
Das Klingeln ihrer Schlittenglocken hören.
Der Besatz ihrer Mütze ist weißer als der erste Winterschnee.

Zum kulturhistorischen Hintergrund des Films
Der Film NUMD SJARDA entstand in den Jahren 2002 und 2003 mit
Unterstützung der ortsansässigen Nenet in der Tundra der Halbinsel
Jamal. Die Nenet sind ganz normale Menschen, Amateurschauspieler.
Die Hauptrolle spielt eine alte Nenet-Frau namens Syarda; ihr vollständiger
Name lautet Numd Syarda. Das Wort Num bedeutet ‘Himmel’
und ist zugleich der Name des höchsten Gottes der Nenet. Syarda
bedeutet ‘geknüpft an’ oder ‘eingesperrt’. Wörtlich bedeutet also Numd
Syarda ‘geknüpft an Num‘ oder ‘verbunden mit Num‘.
Der Film handelt von Einsamkeit, von einer einsamen alten Frau, die
einem blinden Mädchen namens Ilne ihr Leben erzählt. Der Name Ilne
bedeutet soviel wie ‘Lebensspenderin’. In der Kultur der Nenet, von
der Vergangenheit bis zum heutigen Tag, kann ein kleines Mädchen
vor oder nach der Geburt dem Gott Num versprochen werden. Normalerweise
geschieht das nach der Geburt des Kindes, wenn sein Geschlecht
bekannt ist. Das Mädchen mag dem Gott für jeweils drei, vier
oder fünf Mal sieben Jahre versprochen werden, oder sogar für die
gesamte Dauer seines Lebens. Das Versprechen gilt von der Geburt
an. Wenn die Zeit abgelaufen ist, kann die inzwischen erwachsene
Frau einen irdischen Ehemann als Lebenspartner nehmen. Im Film
wurde Syarda entsprechend der Vorhersage eines Schamanen schon
vor ihrer Geburt dem Gott versprochen.
Das Drehbuch stammt von Anastasia Lapsui und basiert auf Erfahrungen,
die sie selbst gemacht hat. Als junges Mädchen war sie einige
Jahre lang blind und besuchte oft eine alte Frau, die allein in einem
Nachbarzelt lebte. Die beiden freundeten sich miteinander an, und
die alte Frau erzählte Anastasia Lapsui von ihrem Leben, das einem
Gott versprochen war. Ihre Geschichte erzählt der Film.
Anastasia Lapsui, Markku Lehmuskallio

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 Anastasia Lapsui, Markku Lehmuskallio Anastasia Lapsui, Markku Lehmuskallio

Biofilmographie

Anastasia Lapsui wurde 1944 in Yar Sale auf der Halbinsel Jamal in
Russland (der damaligen UdSSR) geboren. Von 1966 bis 1997 arbeitete
sie als Rundfunk- und Zeitungsjournalistin. 1990 schrieb sie ihr erstes
Drehbuch. Seit 1993 dreht sie gemeinsam mit Markku Lehmuskallio
Filme.

Filme
1993: Poron hahmossa pitkin taivaankaarta (In Reindeer Shape Across
the Sky, Dokumentarfilm). 1994: Kadotettu Paratiisi (Paradise Lost,
Dokumentarfilm). 1995: Jäähyväisten kronikka (The Farewell Chronicle,
Dokumentarfilm). 1997: Anna (Dokumentarfilm). 1998: Uhri – elokuva
metsästä (Das Opfer – Ein Film über den Wald / The Sacrifice – A Film
about the Forest, Dokumentarfilm, Forum 1999). 2000: Seitsemän laulua
tundralta (Sieben Lieder aus der Tundra / Seven Songs from the Tundra,
Forum 2000). 2001: Paimen (Schäfer / Shepherd, Dokumentarfilm. 2002:
Elämän äidit (Mothers of Life, Dokumentarfilm, Forum 2002). 2004:
JUMALAN MORSIAN /A BRIDE OF THE SEVENTH HEAVEN.

Markku Lehmuskallio wurde 1938 geboren und arbeitete zunächst
als Förster. Bis 1969 war er in der Holzindustrie tätig. Sein Leben veränderte
sich grundlegend, als er bei einem Feuer alles verlor. Er kaufte
sich eine 16mm-Kamera, mit der er Auftragsfilme für Firmen und Naturfilme
für das finnische Fernsehen drehte. Später konzentrierte er
sich darauf, in seinen Filmen das Leben der nordischen Völker zu zeigen.
Seine Dokumentar- und Spielfilme handeln überwiegend von den
Eingeborenen in Sibirien, Grönland, Nordkanada und Skandinavien.
Während seiner Reisen durch die nördliche Hemisphäre lernte Lehmuskallio
das Volk der Nenet kennen, die auf der Halbinsel Yamal in
Sibirien ein von Traditionen bestimmtes Leben führen. Seit 1993 dreht
er gemeinsam mit Anastasia Lapsui, die ihn zunächst als Fremdenführerin
begleitete, Filme.

Filme
1974: Tapiola. Pohjoisten metsien äänet (Sounds of the Northern
Forest). 1975: Mies, jolla on kahdet kasvot (The Man
with Two Faces). 1976: Elämän tanssi (The Dance of Life).
1980: Korpinpolska (The Raven’s Dance, feature film). 1982:
Skierri – vaivaiskoivujen maa (Skierri – Land of the Dwarf
Birch, feature film). 1983: Sininen imettäjä (The Blue Mammy,
feature film). 1988: Inuksuk (feature film). 1992: Minä olen
I & II (I Am – Part One & Two: Pre-History and Point of Contact,
Modern Art, documentary). 1993: Poron hahmossa pitkin taivaankaarta
(In Reindeer Shape Across the Sky, documentary).
1994: Kadotettu Paratiisi (Paradise Lost, documentary). 1995:
Jäähyväisten kronikka (The Farewell Chronicle, documentary).
1997: Anna (documentary). 1998: Uhri – elokuva metsästä
(The Sacrifice – A Film About the Forest / Das Opfer –
Ein Film über den Wald, Forum 1999). 2000: Seitsemän laulua
tundralta (Seven Songs from the Tundra / Sieben Lieder aus
der Tundra, Forum 2000). 2001: Paimen (Shepherd / Schäfer).
2002: Elämän Äidit / Mothers of Life (Forum 2002). 2004: A
BRIDE OF THE SEVENTH HEAVEN.

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Credits

Land: Finnland 2003. Produktion: Millenium Film Ltd., Rajamäki.
Co-Produktion: The Finnish Film Foundation, AVEK – The Promotion Centre
for Audio-Visual Culture in Finland, The Finnish Broadcasting Company
(YLE)/TV1, Nordic Film & TV Fund.
Regie, Ausstattung: Markku Lehmuskallio, Anastasia Lapsui.
Buch, Kostüme: Anastasia Lapsui.
Kamera: Johannes Lehmuskallio. Schnitt: Juho Gartz. Ton: Sergej
Sabenin, Antero Honkanen. Musik: Anna-Kaisa Liedes, Leena Joutsenlahti.
Produzentin: Kristiina Pervilä.

Darsteller: Angelina Saraleta, Wiktoria Hudi, Ljuba Filipowa, Jewgenj
Hudi, Gennadj Puikko.

Format: 35mm (gedreht auf Super16), 1:1.85, Farbe.
Länge: 85 Minuten, 24 Bilder/Sekunde.
Sprache: Nenet.
Uraufführung: 25. Oktober 2003, Filmfestival Rovaniemi (Finnland).
Weltvertrieb: Millennium Film Ltd., Patruunantie 8, 05200 Rajamäki,
Verleih: Freunde der dt. Kinemathek

Pressematerial: www.kinopresseservice.de


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Anastasia Lapsui über ihren Film
Dieser Film ist ein Tribut an die Frauen, die aus dem einen oder
anderen Grund dem Gott Num als Bräute übergeben wurden. Dieser
Brauch existiert noch immer, aber das Ritual wird nur noch selten
durchgeführt – zum Beispiel, wenn im gleichen Jahr viele Menschen
an einer Krankheit oder wenn viele Neugeborene sterben, oder wenn
sich wiederholt eine andere Art von Unglück ereignet. Dann bitten die
Eltern den Schamanen, ihre weniger als sieben Jahre alte Tochter
dem höchsten Gott Num, der im siebten Himmel lebt, für den Rest
ihres Lebens als Braut zu übergeben. Kein Mann hat das Recht, die
heilige Braut auch nur anzusehen, geschweige denn zu berühren. Die
Mission der Braut ist es, als Mittler zwischen den Menschen auf der
Erde und den Göttern im Himmel zu agieren. Nach Ablauf einer festgelegten
Reihe von Jahren als Braut kann das Mädchen vom großen
Schamanen von ihrer Verpflichtung befreit werden.(...)
Einige Himmelsbräute, die ein mittleres Alter erreicht hatten, warteten
nicht die Entlassungszeremonie mit dem Schamanen ab, sondern
heirateten schon vorher. Gewöhnlich verlief ihr Familienleben nicht
sehr glücklich: Sie verwitweten früh, blieben kinderlos oder litten an
verschiedenen Krankheiten. Sie waren nicht zu beneiden, und die
Älteren nannten sie ‘die von Gott Bestraften’. Selbst heute noch gibt
es Gottesbräute. Kein Mann hat ihnen je direkt ins Gesicht gesehen
oder sie berührt. In allen anderen Bereichen führen sie ein ganz normales
Leben. Ich kannte vier Gottesbräute. Sie sind für mich wie geliebte
Großmütter, auch wenn wir nicht miteinander verwandt waren. (...)
Mata war ein Einzelkind. Sie erzählte mir, dass ihre Eltern die Götter
des Himmels und der Erde um ein Kind gebeten hatten. Anscheinend
lebte sie nicht sehr lange ein heiliges Leben. Sie führte sämtliche
Rituale durch und gab anschließend ihre Position als Gottesbraut auf,
um zu heiraten und für Nachkommen zu sorgen. Sie zog drei wohlgeratene
Söhne auf, die später eigene Familien gründeten. Als Kind
hatte ich eine große Vorliebe für sie. Sie war eine hervorragende
Näherin. Sie lehrte auch mich diese Kunst und riet mir dabei: „Wenn
du neue Kleider nähst, verwende immer den ganzen Stoff; wirf nichts
weg. Wenn du groß bist und Kinder hast, wirst du merken, wie sehr
alles gebraucht wird. Sei sparsam.”
Eine der ‘Großmütter‘, Sesya, war eine Schamanin. Auch sie war dem
Gott Num mit aufwändigen Zeremonien als Braut versprochen worden.
Bald aber stellten erfahrene Schamanen fest, dass sie selbst über
schamanische Kräfte verfügte. Ihr war eine wichtigere Rolle als die
einer Gottesbraut vorherbestimmt. Ihre Gebete waren so kraftvoll, dass
sie als Schamanin viel mehr bewirken konnte. Sie durchlief die
Entlassungszeremonie und erhielt eine Schamanentrommel, die sie
niemals weggab. Sesya hatte fünf Söhne. Sie war wie eine ganz normale
Großmutter für mich. Ich ging immer zum Beerenpflücken mit ihr in
den Wald. Wir brachen morgens auf, streiften durch die Wälder, pflückten
Beeren und füllten nach und nach unsere Körbe. (...)
Auch Serhada war eine Gottesbraut. Sie war eine begnadete Geschichtenerzählerin,
die ganz allein lebte. In den dunklen Nächten durfte
ich oft bei ihr sein. Wir redeten den ganzen Abend und sie erzählte
mir Geschichten über amüsante, fröhliche oder traurige Dinge, die sie
erlebt hatte. (...)
Myusena lebt noch immer auf der Halbinsel Jamal. Sie war ihr ganzes
Leben lang krank. Während andere Kinder fröhlich draußen tobten,
konnte sie ohne die Hilfe ihrer Mutter nicht aufstehen oder nach
draußen gehen. Der Tod wollte sie nicht holen, aber sie hat in ihrem
Leben auch noch keinen gesunden Tag erlebt. Auch sie hatte man zur
Gottesbraut gemacht. Myusena erinnert sich deutlich: „Es gab keine
großartigen Zeremonien. Der Schamane sang einfach drei Nächte lang
um mich herum. Am siebten Morgen krabbelte ich ohne die Hilfe meiner
Mutter aus der Hütte. Mit einer Hand am Schlitten machte ich einen
Schritt nach dem anderen – und konnte plötzlich alleine laufen.”

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