[Inhalt] [über den Film]
[Biofilmographie] [Credits] [aus:
The Japan Times]
Inhalt
Mitternacht in einem Radio-Studio. Die Proben für das Hörspiel 'The
Woman of Fate' (Die Frau des Schicksals) sind problemlos gelaufen, und
alle Beteiligten warten nur noch darauf, auf Sendung gehen zu können.
In diesem entscheidenden Moment verlangt die weibliche Hauptsprecherin,
daß ihr Rollenname geändert wird. Aufgrund dieser selbstsüchtigen Forderung
geraten kurz vor Beginn der Livesendung alle Sprecher und Techniker in
Panik. Das Hörspiel fängt an, doch die Namensänderung bringt die Geschichte
völlig durcheinander. Wird das Live-Hörspiel zu einem guten Ende geführt
werden können?
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Der Regisseur über seinen Film
Auf alle Fälle wollte ich einen Film, genauer gesagt, eine Komödie
machen, wie es sie noch nie in der japanischen Kinogeschichte gegeben
hat. Ich habe schon immer westliche Filme geliebt. Als Kind des Fernsehzeitalters
habe ich bereits vor der Einschulung alles, was es im Fernsehen gab, gesehen.
Nummer Eins meiner Top Ten der Filme war Twelve Angry Men - ich war gerade
zehn Jahre alt und ein recht frühreifes Kind. Schon damals paßte
mir der Rhythmus japanischer Filme gar nicht. Bis heute waren meine Lieblingsfilme
immer die amerikanischen. Ich denke allerdings überhaupt nicht, daß
das westliche Kino dem japanischen überlegen ist. Es gibt auch langweilige
westliche und schöne japanische Filme. Nur eins kann ich sagen: der
amerikanische Film und der japanische Film heißen zwar beide eiga
(Film), sind jedoch völlig verschieden. Deshalb war mein Hauptziel,
als ich jetzt selbst einen Film drehen sollte, einen japanischen Film
wie einen amerikanischen Film zu drehen. Was heißt aber eigentlich
amerikanischer Film (Nach langem Überlegen fiel mir ein, daß
der gravierendste Unterschied ist, daß in amerikanischen Filmen
nur amerikanische Schauspieler spielen. Das ist eine Selbstverständlichkeit,
aber es ist doch sehr wichtig. Egal wie flott ein Film sein mag: wenn
Schauspieler mit typisch japanischen Gesichtern mitspielen, entsteht zwangsläufig
eine japanische Atmosphäre. Deshalb habe ich für diesen Film
möglichst westlich aussehende Schauspieler ausgesucht. Ich finde
Karasawa mit Denzel Washington vergleichbar, Nishimura ähnelt Gene
Hackman, Inoue erinnert an George Clooney, und Fuse wäre Daniel Day
Lewis. Die Gemeinsamkeit dieser Schauspieler ist, daß sie nicht
gerade in der banalen Alltagswelt zu Hause zu sein scheinen. Die Protagonisten
im japanischen Kino tragen viel zu schwer an der Bürde des Lebens.
Was den Rhythmus betrifft: ich wollte unbedingt einen so im japanischen
Kino noch nie dagewesenen temporeichen Film machen; deshalb gibt es in
meinem Film keine einzige überflüssige Sequenz, und auch nichts
Gefühlvolles. Eine gefühlvolle DarsteIlung von Alltagsszenen
oder langatmige Beschreibungen der Psyche - typisch japanische Erzählweise
- war gar nicht notwendig. Besser gesagt, ich hatte überhaupt keine
Zeit dazu. Meine Protagonisten hatten alle Hände voll zu tun.
Apropos Musik: Filme wie Star Wars, oder lndianaJones versetzen das Publikum
in gute Stimmung, weil die Szenen und die Musik fantastisch übereinstimmen,
nicht wahr (Am Höhepunkt erklingt symphonieartige Themenmusik und
verstärkt den dramatischen Effekt ganz unerhört). Bei jedem
Szenenwechsel ändert sich die Musik sehr subtil: Das wollte ich unbedingt
in meinem Film. Herrn Hattori, der die Komposition der Musik für
den Film übernommen hat, hielt ich für einen japanischen John
Williams; ab sofort werde ich aber sagen, John Williams ist ein amerikanischer
Hattori .
Ich darf ein Eigenlob aussprechen: der aus den erwähnten verschiedenen
Überlegungen heraus entstandene Film ist so im japanischen Kino noch
nicht dagewesen, er ist ein neuartiger Film geworden. Allerdings sieht
er immer noch nicht ganz wie ein amerikanischer Film aus. Na ja, dieses
Problem werde ich weiter ins Auge fassen.
Noch eins: in Japan werden Komödien als Genre nicht so richtig geschätzt.
'Das Lachen' wird immer um eine Stufe niedriger bewertet. Das liegt aber
eher an den Filmschaffenden, weil es in Wirklichkeit nur sehr wenige lustige
Komödien in Japan gibt. Das war, bevor ich anfing mitzumischen; das
zu ändern ist meine Aufgabe. Das klingt vielleicht selbstüberschätzend,
aber so interpretiere ich meine Rolle. Ich kann nicht behaupten, der Film
sei der beste im japanischen Kino, aber als Komödie ist er meiner
Meinung nach bahnbrechend.
Ich komme ja ursprünglich aus dem Off- Theater. In der Zeit, als
ich mit meiner Truppe, den 'Tokyo Sunshine-Boys' arbeitete, wurden wir
immer als Außenseiter betrachtet. Nachdem ich angefangen hatte,
Drehbücher für Fernsehdramen zu schreiben, wurde ich als unkonventioneller
Autor eingeschätzt. Ich bemühe mich aber stets, ein orthodoxes
Werk zu schaffen. Dabei muß ich aber leider den Mainstream vermeiden.
Koki Mitani, aus dem veröffentlichten Drehbuch (Übersetzung
aus dem Japanischen: Hiroomi Fukuzawa)
Biofilmographie
Koki Mitani wurde 1961 in Tokio geboren. Noch als Student gründete er
eine Theatergruppe, die 'Tokyo Sunshine Boys'. Seit dem Studium hat er
viele Theaterstücke und Fernsehfilme geschrieben und produziert. RADIO
NO JlKAN ist sein erster abendfüllender Spielfilm.
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Credits
Land:
Japan 1997
Produktion:
Fuji Television Network, Toho Co.
Ltd., in Zusammenarbeit mit Premier International
Buch:
Koki Mitani nach seinem Theaterstück 'The Radio Time'
Regie:
Koki Mitani
Kamera:
Kenji Takama, Junichi Tozawa
Licht:
Masamichi Uwabo
Ausstattung:
Tomio Ogawa
Ton:
Tetsuo Segawa
Musik:
Takayuki Hattori
Schnitt:
Hirohide Abe
Produzenten:
Chiaki Matsushita, Hisao Masuda, Takashi Ishihara, Kanjiro Sakura.
Produktionsassistenz:
Yumiko Kuga, Yumiko Shigeoka.
Darsteller:
Toshiaki Karasawa (Kudo, der Regisseur), Kyoka Suzuki (Miyako Suzuki,
die Drehbuchautorin), Masahiko Nishimura (Ushijima, der Produzent), Keiko
Toda (Nokko Senbon, Mary Jane), Takehiko Ono (Ben Noda, Vater Martin),
Shiro Namiki (Suguru Hosaka, Erzähler), Yasukiyo Umeno (Furukawa,
Nokkos Manager), Jun Inoue (Hiromitsu, Heinrich), Yoshimasa Kondo (Miyakos
Ehemann), Hiromasa Taguchi (Tatsumi, Tonmischung), Moro Morooka (Bucky,
Schriftsteller), Akira Fuse (Horinouchi, Programmleiter), Toshiyuki Hosokawa
(Hamamura Jo/Donald), Ken Watanabe (Lastwagenfahrer)
Format: 35mm, 1 :1.85, Farbe
Länge: 103 Minuten, 24 B/sek.
Sprache: Japanisch.
Uraufführung: 8. November 1997, Kinostart in Japan
Verleih: Freunde der dt. Kinemathek, Berlin - www.fdk-berlin.de
Pressematerial: www.kinopresseservice.de
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Mitani kitzelt Japans Lachmuskeln
Die Japaner sagen von sich selbst, sie hätten keinen Sinn für
Humor. Jeder ausländische Besucher jedoch, der zur besten Sendezeit
in einem Tokioter Hotelzimmer japanisches Fernsehen sieht, könnte
ebenso gut zu dem Schluß kommen, daß das Leben in Japan von
immerwährender übermütiger Ausgelassenheit geprägt
ist. In den zahlreichen Fernseh- und Quiz-Shows, die die Fernsehkanäle
dominieren, witzeln die tarento und lachen die Zuschauer unaufhörlich.
Ausländer, die sich länger als eine Woche in Japan aufhalten
oder gar die Sprache lernen, werden verstehen, daß sich das japanische
Konzept der Komödie von unserem unterscheidet, manchmal sogar grundlegend,
auch wenn die Japaner, wenigstens die in der U-Bahn, zu gerne lachen.
Den Amerikanern, die mit I Love Lucy, All In The Family und Roseanne aufgewachsen
sind, mag es ausgesprochen eklatant erscheinen, daß es in Japan
keine 'sitcoms' gibt. Natürlich gibt es Filme, in denen dämliche
Charaktere in absurde Situationen geraten, das soll jedoch normalerweise
ein nachgiebiges Lächeln über die ach so menschlichen Schwächen
hervorrufen und kein Glucksen, Kichern oder dröhnendes Gelächter.
(...) Auch das Format des halbstündigen Dreiakters, das seit jeher
die Leitlinie für sitcoms war, ist in Japan nicht verbreitet. Hier
dauern die Fernsehserien eine Stunde und laufen über einen Zeitraum
von zwölf Wochen, was eine romanhafte Erzählweise begünstigt
und weniger ein auf Gags ausgelegtes Dialogbuch.
Als ich las, daß Koki Mitanis Spielfilmdebüt RADIO NO JIKAN
als Situationskomödie bezeichnet wurde, fragte ich mich, ob sich
hinter dieser Definition nicht vielleicht etwas anderes verstecken würde.
Vielleicht hatte die PR-Abteilung einen weiteren Japlish Ausdruck benutzt,
der im besten Falle annähernd mit dem englischen Original vergleichbar
war.
Auch wenn RADIO NO JIKAN kein Kinoremake von Roseanne ist, handelt es
sich bei diesem Film um eine brillante, originelle Komödie, eine
Farce mit einer schlauen Ausgangsposition, funkensprühenden schauspielerischen
Leistungen und Dialogen, die einen laut auflachen lassen.
Basierend auf dem von Mitani geschriebenen Theaterstück, das von
seiner Theatergruppe 'Tokyo Sunshine Boys' aufgeführt wurde, ist
der Film offensichtlich theatralisch angelegt. Die Handlung spielt vorwiegend
an einem Ort - in einem Aufnahmestudio eines großen Tokioter Radiosenders
-, und die Schauspieler wären auch im zweiten Rang noch zu hören.
Aber Mitani, der seit seiner Zeit als Student an der Nihon Universität
zahlreiche Theaterstücke und Drehbücher geschrieben hat und
1983 die 'Tokyo Sunshine Boys' ins Leben rief, weiß genau, was er
tut. Seine Schauspieler versuchen nicht 'normale Menschen' zu spielen,
sondern es gelingt ihnen auf komische Art und Weise, Menschen darzustellen,
die sich nicht allzu sehr von ihnen selbst unterscheiden. Sie spielen
Leute aus dem Showbusiness, die angeblich ein Hörspiel aufführen
sollen, in Wirklichkeit aber - je nachdem, wo sie in der Hackordnung stehen
- mit nichts anderem beschäftigt sind als damit, das eigene Ego zu
pflegen.
Fast alle verströmen fast immer entweder Charme oder Boshaftigkeit.
Ist das übertrieben? Vielleicht. Wirklichkeitsnah ist es auf jeden
Fall.
RADIO NO JIKAN erinnert stark an das Meisterwerk unter den Screwball-Komödien,
The Twentieth Century (ohne den Glamour von Carole Lombard und den himmelschreienden
Egoismus von John Barrymore). Doch obwohl der Film Hollywood in Stil und
Wesen noch nähersteht als die Komödien von Juzo Itami, sagt
er mehr über die Strukturen innerhalb des japanischen sozialen Gefüges
als jeder andere Film der letzten Jahre.
Man könnte die Geschichte als Mitanis parodistischen Rachefeldzug
gegen all die Kräfte ansehen, die gemeinsam das Leben eines Drehbuchautors
zur Hölle werden lassen. Als Werbetrick plant ein Tokioter Radiosender,
das Hörspiel des Gewinners eines Amateur-Drehbuchwettbewerbs live
zu senden. Gewinnerin dieses Wettbewerbs ist eine schüchterne, mäuschenhafte,
schrecklich naive Hausfrau. Es scheint zuerst, als ginge für sie
ein Traum in Erfüllung: ein berühmter Produzent nennt sie 'sensei',
große Stars probieren die Dialoge, die sie geschrieben hat.
Doch dann beginnt der Alptraum. Die Sprecherin mittleren Alters, die die
Hauptrolle des Hörspiels spricht, beschließt, daß ihr
der Name ihrer Rolle, Ritsuko, nicht gefällt. Er sei zu schwerfällig,
ist ihre Begründung. Wieso man den Namen nicht verändern könnte?
'Mary Jane' würde zum Beispiel sexier und exotischer klingen. Und
warum hat sie keinen aufregenderen Job, wie z.B. Strafverteidigerin? Verzweifelt
bemüht, seinen Star bei Laune zu halten, willigt der Produzent in
diese unverschämten Forderungen ein. Doch damit fängt alles
erst an.
Da nun die Hauptperson des Theaterstücks eine Ausländerin ist
muß der Schauplatz von Atami nach New York verlagert werden;
alle anderen Figuren des Stücks müssen Amerikaner werden. Auch
nachdem das Hörspiel bereits angefangen hat und ausgestrahlt wird,
haben die Hauptsprecherin und die restlichen Mitwirkenden weitere glänzende
Ideen. Warum nicht die Story ein wenig aufpeppen und die Mafia und Maschinengewehre
ins Spiel bringen? Und warum den Handlungsort nicht noch einmal verlegen,
diesmal nach Chicago? Sollte Mary Janes Geliebter nicht eher Pilot sein?
Berechtigte Fragen.
Bald wird das tiefempfundene Melodram der Hausfrau über eine sich
auflösende Ehe eine wilde Action-Abenteuergeschichte einschließlich
eines brechenden Damms und eines Flugzeugs, das im Weltraum verlorengeht.
Die Zeit vergeht, der Produzent rauft sich die Haare, und die Hausfrau,
die zusehen muß, wie ihr kostbares Werk gedankenlos zunichte gemacht
wird, steht allmählich kurz vor einem Wutausbruch.
Mit dem falschen Regisseur hätte diese Geschichte sehr albern werden
können, Mitani aber hat die Leistungen seiner Schauspieler auf Hochglanz
gebracht. Zeitgefühl, Erzählfluß und Ton stimmen genau.
(Mitani probte zwei Wochen lang, bevor die Dreharbeiten begannen - ein
ungewöhnlicher Luxus in der japanischen Filmindustrie.) Gemeinsam
mit seinem Kameramann Kenji Takama hat er den wortlastigen Szenen, die
schnell statisch hätten wirken können, mit nahtloser Dynamik
neuen Auftrieb gegeben.
Aufgrund schmaler Budgets und mörderischer Drehpläne müssen
viele japanische Erstlingsfilme technische Unzulänglichkeiten, wie
unsauberen Ton oder schlechte Beleuchtung, in Kauf nehmen. RADIO NO JIKAN
ist eine aufregende, gutgemachte Ausnahme.
Mark Schilling in: The Japan Times, Tokio, 3. November 1997
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