Die Hochzeitsfabrik

Die Hochzeitsfabrik

Wenn türkische Hochzeiten in deutschen Fernsehfilmen auftau-chen, dann sind die Bilder voller folkloristischem Glück. Die Fladenbrote duften, die Großfamilien umtanzen sich lächelnd, Braut und Bräutigam sind behängt mit Gold und Geld.  
Das türkische Hochzeits- oder Beschneidungsfest ist traditionell dörflich, hier in Deutschland, gibt es diese Gemeinschaften nicht mehr. Und weil es die dörflichen Strukturen nicht mehr gibt, die solch Feste organisierten, wird diese Arbeit in Deutschland von professionellen Ausrichtern übernommen.

Ein ehemaliges Industriegebiet im Berliner Stadtteil Neukölln. Ehemalig, weil in den Ruinen der Produktionsgesellschaft nunmehr KFZ - Werkstätten, Lackierereien und Lagerhallen irgendwelcher Möbelhäuser zu finden sind. Dazwischen gibt es auch das „Prestige-Hochzeitssaal“. Es ist einer der vielen Festsäle, die türkische Firmen in den letzten Jahren in Berlin eröffneten. Viele von ihnen in ähnlich strukturierten Gebieten. Hier sind die Mieten billig, es gibt keine lärmbelästigte Nachbarschaft und Parkplätze en masse - eine tote Gegend.Der Betreiber dieses Saals ist Sahin Öcal, ein moderner, türkischer Geschäftsmann. Er ist ein Profi und kennt seine Kunden. Hier, in diesem Fotoladen, im Gespräch mit seinen Landsleuten, ist er auf die Idee gekommen, ganze Feste und die Bilder davon in Komplettangeboten zu offerieren.  

Solch ein Fest ist ein Komplettangebot. Von der Abholung der Braut von zu Hause, über die Erinnerungsfotos bis zum Autokorso und dem eigentlichen Fest mit Bewirtung und Musik-Band. Das alles wird organisiert.

Die Bilder, die an diesem Ereignis immer das gleiche Ritual widerspiegeln und somit die immergleiche Auflösung erfahren, werden parallel zu den Hochzeitsfesten oder auch manchmal am Ende nach jeder Hochzeit vom Kameramann zusammen geschnitten (Autokorso, Fototermin),  denn bald wird das nächste

Fest steigen. In manchen Zeiten finden hier fast täglich Hochzeits- oder Beschneidungsfeste statt.

Im Saal werden die Reste der Nacht zusammengekehrt. Die Fotografen, die neben den Kameraleuten noch für das Fotobuch, das im Preis inbegriffen ist, fotografiert haben (Das Abschlussbild des Brautpaares, geschossen mit herzförmiger Vorsatzlinse, macht dann der Cheffotograf immer selbst) sind inzwischen dabei, die Filme zu entwickeln und zu retuschieren.
Die Türkei, die Heimat, das Dorf, das Land, die Großfamilie - das sind Hintergründe, Kitschmotive, aufgerollt auf den vielen Rollos im Studio. Das weiß Sahin, denn er produziert sie.
Von dieser Produktion von Bildern einer Welt, die verloren ist, davon erzählt der Film DIE HOCHZEITSFABRIK.

Die Regisseurin

Aysun Bademsoy wurde geboren am 14. März 1960  in Mersin /Türkei und lebt seit 1969 in Berlin. Zwischen 1978-1989 studierte sie Theaterwissenschaft und Publizistik an der FU Berlin. Bereits während des Studiums arbeitet sie als Schauspielerin, mit "Fremde deutsche Nacharschaft" startet sie 1989 ihre dokumentarischen Regie-Arbeiten.

Filme
1999/2000 - Deutsche Polizisten (Regie, Drehbuch, Schnitt)
1997 -  Nach dem Spiel (Regie, Drehbuch, Interviews)
1996 - Ein Mädchen im Ring (Idee, Regie)
1995/1996 - Cuba Libre (Regie-Assistenz)
1995 - Mädchen am Ball (Idee, Regie)
1994 - Ein Polizist wie jeder andere (Regie)
1994 - Nirgends ist man richtig da (Regie)
1993 - Ein Tag im Leben des Endverbrauchers (Regie-Assistenz,     Produktionsleitung)
1992 - Langer Gang (Darstellerin)
1991 - Schwarze Polizisten (Regie)
1991/1992 – Taiga (Schnitt-Assistenz)
1990 - Detektei Furkan (Regie)
1989 - Fremde deutsche Nachbarschaft (Regie)

BRD 2005, 65 Min.

Regie, Buch: Aysun Bademsoy

Mitwirkende: Foto Sahin, Prestige Hochzeitssaal Team, Orchestra Atlantik, Ahmet Belma Günes u.a.

Produzent: Harun Farocki Filmproduktion



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