Der schöne Tag - ein Film von Thomas Arslan
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Deutschland 2001, 74 Minuten, 24 Bilder/Sek.,
Produktion: Pickpocket Filmproduktion, zero film, ZDF
Regie, Buch: Thomas Arslan
Kamera: Michael Wiesweg.
Ton: Andreas Mücke-Niesytka
Ausstattung: Ulrika Anderson
Kostüm: Anette Guther
Schnitt:
Bettina Blickwede
Mischung: Martin Steyer
Musik: Selda Kaya & shape:mod, Morton Feldman, Saul Williams
Produktionsleitung: Martin Schlüter
Produzenten: Thomas Arslan, Martin Hagemann.

Darsteller:
Serpil Turhan (Deniz)
Bilge Bingül (Diego)
Florian Stetter (Jan)
Selda Kaya (Leyla)
Hafize Üner (Mutter)
Hanns Zischler (Regisseur)
Elke Schmitter (Frau im Cafe)
Benedict Weber (Synchronsprecher)
Özgür Firat, Göhkan Katman, Ali Akkas (Jugendliche)
Stefan Pethke (Taxifahrer).

Format: 35mm, 1 :1.66, Farbe
Sprache: Deutsch, Türkisch.
Uraufführung: 13. Februar 2001, Internationales Forum, Berlin.
freigegben ohne Altersbeschränkung

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Inhalt
Deniz ist einundzwanzig Jahre alt. Sie lebt in Berlin und arbeitet als Synchron-Sprecherin. Sie will Schauspielerin werden. Deniz stellt Ansprüche an ihr Leben. Es fällt ihr schwer, jemanden zu finden, der ihren Erwartungen und Sehnsüchten entspricht. Mit ihrem Freund Jan ist sie nicht glücklich.
An einem Sommermorgen steht sie vor einer Entscheidung. Nach der Arbeit im Synchron-Studio, wo gerade Conte d'ete von Eric Rohmer synchronisiert wird, trifft sie Jan in einem Cafe. Bei einem anschließenden Spaziergang trennt sie sich von ihm.
Deniz eilt voller Unruhe durch das sommerliche Berlin. In Gesprächen mit verschiedenen Personen, denen sie im Laufe des Tages begegnet, kreist sie immer wieder um das Thema der Liebe.
Sie versucht sich über ihre Gefühle und ihreVorstellungen klar zu werden.
Nachdem sie für eine Filmrolle vorgesprochen hat, trifft sie in einer U-Bahnstation auf Diego. Nach einer gegenseitigen Verfolgung durch das U-Bahn-Netz der Stadt lernen sie sich kennen. Sie verbringen den Abend zusammen. Doch Deniz weiß, daß diese Begegnung folgenlos für sie bleiben wird. Am frühen Morgen gehen sie auseinander. Erschöpft von den weiten Wegen, die sie an diesem Tag zurückgelegt hat, kehrt Deniz in ihre Wohnung zurück. Der neue Tag bricht an. Ihr Leben geht weiter. Sie ist wieder auf der Suche.

"Deniz geht Jeder U-Bahnhof hat seinen Charakter: Farbe und Größe der Wandkacheln, Geruch, Luftfeuchtigkeit, Temperatur, mehr oder weniger niedrige Decken in den Eingangsbereichen, Wand- und Deckenbeleuchtung, Akustik. Wer sich auf Schienen durch Berlin bewegt, erkennt 'seine' Stationen, ohne Schilder lesen zu müssen. Die wenigsten Berlin-Filme scheren sich um die Topographie der Stadt, die entweder unkenntlich bleibt oder in pittoreske Kulissen zerlegt wird. Wie bewegt man sich wirklich durch die Stadt, was geschieht auf den zurückgelegten Wegen? Das Wesen der Filme von Thomas Arslan liegt ebensosehr in den Begegnungen und Gesprächen wie in den Pausen dazwischen, dem Stillhalten und der Bewegung von Ort zu Ort. Deniz verläßt die Altbau-Wohnung ihres Freundes in Kreuzberg. Ein enges Treppenhaus mit Etagenklos. Die schweren Holztüren der Altbauten, die dunklen Eingänge, das blendende Sonnenlicht, das durch halbgeöffnete Tore dringt in dieser sommerlichen Stadt. Sommer-Berlin, das markiert nicht nur eine Jahreszeit, das ist auch ein anderer Ort als Winter-Berlin. Die IBA-Bauten an der Kochstraße, wo Deniz ihre Wohnung hat, spielen ihre irritierende Farbigkeit aus, ungewöhnlich licht und großzügig. DER SCHÖNE TAG ist fast ein Gegenentwurf zu einem anderen, populären Berlin-Film. Deniz geht. Lange Gänge durch den U-Bahnhof Alexanderplatz mit seinen niedrigen Decken und blaßgrünen Kacheln, über schattige Uferhänge im Grunewald, über die breiten Gehwege der alten Berliner Straßenzüge, durch den abendlichen Tiergarten mit den Autolichtern der Straße des 17. Juni. Ihre langen Wege durch die Stadt, aus dem dunklen Synchron- in das helle Casting-Studio, vom Schöneberger Stadtcafe zum menschenleeren Badesee, sind das Spielfeld, auf dem DER SCHÖNE TAG spielt: Wie oft kann man die Wege ein und desselben Menschen kreuzen an einem nicht enden wollenden Sommertag? Die mysteriösen 'Zufallsbegegnungen' mit Diego lassen rätseln: Wer sucht hier wen - oder was? Was wir von Deniz darüber erfahren, das sagt sie nicht mit Worten, und wenn, dann eher unfreiwillig. Als sie, nach einer durchwachten Nacht, die wohl eine tiefe Enttäuschung barg, am Morgen im Cafe ein Gespräch mit der in Notizen vertieften Frau am Nebentisch beginnt, gesteht sie: "Es ist so schwer, über Gefühle zu reden. Immer, wenn ich es versuche, klingt es irgendwie falsch, so abgedroschen, als würde ich mich ständig wiederholen." Jean-Luc Godard ließ in Vivre sa vie Anna Karina ein ähnliches Cafegespräch beginnen über die Lüge in der Sprache, die Notwendigkeit der Sprache und die Notwendigkeit des Irrtums. Den Dialog zwischen Deniz und ihrer philosophierenden Tischnachbarin in DER SCHÖNE TAG kann man als ironisches Remake verstehen: "Es gibt die Gesten, die Blicke, die haben doch etwas Wahres", sagt Deniz. Dann fährt sie fort in ihrer Suche in Sommer-Berlin. Mit den Augen."
Christoph Terhechte

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 


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Interview mit Thomas Arslan
Gabriela Seidel: Wie bist Du vorgegangen, als Du anfingst, das Drehbuch zu schreiben? Hattest Du eine Figur im Kopf oder ein Thema?
Thomas Arslan: Nach Geschwister und Dealer, die eher von männlichen Protagonisten dominiert waren, hat es mich diesmal mehr interessiert, die Geschichte einer weiblichen Figur zu erzählen.
Einer jungen Frau, die einen Beruf hat und die sich Fragen über ihr Leben stellt. Zum Beispiel, wie man glücklich sein kann. Was kann man von ihr wissen und wie könnte sie ihren Tag verbringen. Das war mein Ausgangspunkt.

G.S.: Dein Film ist von Ruhe und klaren Farben geprägt. Ihr habt scheinbar nur mit Sonnenlicht gedreht. Welche Überlegungen gab es irn Vorfeld zur Ästhetik des Films? Hattest du Vorbilder?
T.A.: Es gab Entscheidungen, die bereits irn Vorfeld des Films feststanden: mit einem möglichst kleinen Team zu drehen, mit Originalton zu arbeiten und wenig bis gar nicht zu beleuchten. Mit dem Kameramann Michael Wiesweg habe ich mich über den Umfang der zu benutzenden Technik, das Licht und die bevorzugten Optiken verständigt. Beim Drehen jedoch beginnt alles neu. Man muß vergessen, was man sich vorher zurechtgelegt hat.
Es ist wichtig, die Welt nicht mit vorgefaßten Konzepten zu ersticken. Wir haben uns in der Vorbereitungsphase oft die Orte angesehen, jedoch kein Storyboard und keine Auflösung gemacht.
Wo die Kamera steht, wurde erst unmittelbar bei den Dreharbeiten entschieden. Es war klar, daß die Wege von Deniz durch die Stadt eine wichtige Rolle spielen, daß man sie dabei begleiten und daß dies für den Rhythmus des Films ausschlaggebend sein würde. Mir gefällt es zu zeigen, wie sich jemand von einem Ort zum anderen bewegt. Die Wege sind keine tote Zeit.
Ein wichtiger Aspekt war die Wahl des Standortes ihrer Wohnung, weil davon ausgehend ihre Bewegungen durch die Stadt geplant werden mußten. Ich hatte mich beim Schreiben des Buches dafür entschieden, die Wohnung von Deniz in einer Neubausiedlung in der Kochstraße, irn Übergangsbereich zwischen Kreuzberg, Tiergarten und Mitte anzusiedeln. Ausgehend davon wurden schließlich die Wege von Deniz genau festgelegt. Sie sollten sich nach der realen Topographie der Stadt richten. Es stört mich immer sehr, wenn ich in manchen Filmen sehe, wie das alles wahllos, oder nach Kriterien des Pittoresken, gemischt wird. Wenn z.B. Straßen, die in völlig anderen Teilen der Stadt liegen, als benachbarte behauptet werden. So etwas ist, wenn es einem auffällt (und es fällt immer jemandem auf), sehr enttäuschend. Es ist, als wenn man darauf spekuliert hätte, daß der Zuschauer schon nicht so genau hingucken wird. Eine lieblose Art der Täuschung.
Es gibt innerhalb des Films mehr oder weniger deutlicheVerweise auf Filme, die mir wichtig sind. Bei dem Film, den Deniz in der Casting-Szene auf subjektiv gefärbte Weise nacherzählt, handelt es sich um A nos amours von Maurice Pialat. Die Arbeiten von Eustache, Pialat, Rohmer, Kiarostami (um nur einige zu nennen) hören nicht auf, mich zu begleiten und zu beschäftigen.

G.S.: Fast alles, was Deniz erlebt, hat mit der Liebe zu tun. Als sie dann in dem Cafe die Universitätsdozentin trifft, bekommt das Thema noch einen theoretischen Unterbau. Die Dozentin spricht davon, daß unser Ideal, unser romantischer Begiff von der Liebe eine Erfindung des 18. Jahrhunderts ist. Hast Du dich beim Schreiben mit dem Begriff auch theoretisch auseinandergesetzt?
T.A.: Deniz wird, an dem Tag, den der Film beschreibt, von Gefühlen und Gedanken getrieben, die sie einen focussierten Blick auf alles um sie herum werfen lassen. Ein Blick, der nur die Dinge wahrnimmt, die mit dem zu tun haben, was sie zur Zeit beschäftigt. Ich würde zwar nicht sagen, daß der Film die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt, aber er versucht doch, sich ihr anzunähern. Wie bei realen Personen, gibt es auch bei den Figuren eines Films eine Grenze dessen, was man von ihnen wissen kann.
Deniz sucht nicht nur jemanden, mit dem sie leben kann, sondern sie versucht auch, ihre Vorstellungen, die sie von der Liebe hat und die Erwartungen, die sie daran knüpft, zu formulieren. Sie hat bereits, bevor sie die Frau irn Cafe trifft, ihre eigenen Theorien.
Das wichtige an dieser Szene ist für mich eher, daß sie hier zum ersten Mal auf eine Person trifft, zu der sie keine unmittelbare persönliche Beziehung hat. Aus dieser Distanz heraus läßt es sich leichter über die angesprochenen Fragen reden. Und als sie erfährt, daß die Frau sich in indirekter Weise unter anderem mit 'ihrem' Thema beschäftigt, hakt sie nach. Ihre Gespräche mit ihrer Mutter, ihrer Schwester oder ihrem Freund waren zu hitzig, zu persönlich beladen gewesen. Hier hat sie nun die Möglichkeit, einen kühleren Blick auf ihre eigenen Gedanken zu werfen. Und sie scheint bereit zu sein, ihre Vorstellungen zu hinterfragen.
Gezielte theoretische Recherchen habe ich nicht angestellt. Allerdings habe ich, wenn ich einen Film vorbereite, ebenfalls eine stark selektive Wahrnehmung. So war es sicher nur bedingt ein Zufall, daß ich in dieser Zeit auf die Abschrift eines Radio-Interviews mit Niklas Luhmann gestoßen bin, das mit diesem Thema zu tun hatte. Der Text der Dozentin basiert auf Fragmenten dieses Interviews und auf Vorschlägen, die Elke Schmitter gemacht hat.

G.S.: In Geschwister und Dealer spielen teilweise die gleichen Darsteller. Sie spielen jedoch in den einzelnen Filmen unterschiedliche Figuren. Etwas zieht sich immer hinein in den nächsten Film. Gibt es einen roten Faden, der durch die Filme führt?
T.A.: Das, was die Filme verbindet, ist, daß es sich bei den Hauptfiguren jeweils um junge Personen türkischer Herkunft handelt, die in Deutschland aufgewachsen sind. Jeder einzelne der drei Filme ist jedoch eine von den anderen unabhängige, in sich geschlossene Geschichte. Während der Arbeit an Geschwister standen die Erzählungen der anderen beiden Filme noch nicht fest.
Ein Film hat sich aus dem anderen entwickelt. Aus etwas heraus, was in dem vorhergehenden zu kurz kam oder für das es keinen bzw. zu wenig Raum gab. Obwohl die drei Filme der Trilogie sehr unterschiedlich voneinander sind, hat es mir gefallen, kleine Verbindungsglieder und Verweise zwischen ihnen herzustellen. Dazu gehört auch die Anwesenheit einiger Darsteller, die in unterschiedlichen Rollen in mehreren Filmen erscheinen. Die Rollen waren immer so angelegt, daß etwas von den realen Personen, die sie spielen, einfließen konnte.

G.S.: Die Protagonisten aller drei Filme sind türkische oder deutschtürkische Jugendliche der dritten Einwanderer-Generation. Deniz und ihre Schwester sind mit ihrer nationalen Identität aber gar nicht mehr befaßt, ganz anders als noch die Geschwister. Spielt diese Frage eine immer kleinere Rolle?
T.A.: Schon in Geschwister traf dies nicht auf alle der Hauptpersonen zu. Am wenigsten auf die jüngere Schwester. In DER SCHÖNE TAG ist die Figur der Deniz in ihrer Gesamtheit zwar nicht repräsentativ für eine ganze Bevölkerungsgruppe, aber in einem Punkt steht sie sicher für die Erfahrungen von vielen anderen ihres Alters: Sie hat noch etwas anderes zu tun, als sich ständig mit ihrer Identität zu beschäftigen. Mir war es wichtig, sie nicht im Hinblick darauf zu definieren, was vermeintlich 'fremd' an ihr ist.
Die vielbeschworene Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen entspricht nicht ihrer Lebenserfahrung. Sie bewegt sich mit Selbstverständlichkeit durch die Umgebung, in der sie lebt. Sie ist eine Person mit eigenen Geheimnissen, Widersprüchen und Besonderheiten, die sich nicht auf ihre Herkunft reduzieren lassen.
(Das Interview wurde am 14. Januar 2001 geführt.)

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Filmographie

Thomas Arslan

wurde am 16. Juli 1962 in Braunschweig geboren. Von 1963 bis 1967 lebte er in Essen, von 1967 bis 1971 in Ankara (Türkei), wo er die Grundschule besuchte. 1972 kehrte er nach Essen zurück und machte dort 1982 das Abitur. Anschließend leistete er seinen Zivildienst in Hamburg. Nach zwei Semestern Germanistik in München absolvierte er von 1986 bis 1992 ein Studium an der dffb in Berlin.

Filme:

1984: Eine Nacht, ein Morgen (9')
1986: Test 2 (6')
1989: Risse (32')
1990: 19 Porträts (20')
1991: Am Rand (24')
1992: Im Sommer- die sichtbare Welt (41 ')
1994: Mach die Musik leiser (87')
1996: Geschwister- Kardesler (82')
1998: Dealer (Forum 1999)
2001: DER SCHÖNE TAG.

 

Serpil Turhan

1996: Geschwister- Kardesler (82')
2001: DER SCHÖNE TAG.

Bilge Bingül

1996: Geschwister- Kardesler (82')
1998: Dealer (Forum 1999)
2000: Die innere Sicherheit (Regie: Christian Petzold)
2001: DER SCHÖNE TAG

Florian Stetter

2000: L'Amour, l'Argent, l'Amour (Regie: Phillip Gröning)
2001: DER SCHÖNE TAG

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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taz vom 13.2.01:
Liebe in Zeiten der Flexibilisierung

Mit "Der schöne Tag" (Forum) hat Thomas Arslan seine Trilogie über junge Türken in Deutschland abgeschlossen Das Berliner Leben beginnt in Cafés. Mal langsam, wie bei Angela Schanelec, die in ihrem neuen, tollen Film " Mein langsames Leben" zwei Freundinnen bei Himbeereis und Cappuccino plaudern lässt. Oder mit einem kurzen Knatsch, den Thomas Arslan an den Anfang seines Films "Der schöne Tag" gestellt hat. Deniz (Serpil Turhan) ist gestresst von ihrem Job, Jan (Florian Stetter) findet ihre Beziehung zu wenig spannungsgeladen, flirtet mit der Kellnerin, stichelt darüber, dass sich seine türkische Freundin nicht richtig Gefühlen hingeben kann - und wird prompt von ihr sitzen gelassen, am Wannsee. Aber es stimmt. Deniz ist nie sicher, wie sie sich zwischen Beruf, Karriere, Liebe und Familie entscheiden soll. Beim Casting für eine Filmagentur erzählt sie eine sehr romantische Geschichte, zum Geldverdienen synchronisiert sie Eric Rohmers "Sommer" -leidenschaftliche Dialoge über kaputte Partnerschaften, die ebenso gut zu ihrem eigenen Leben passen könnten. Aber dann ist da wieder dieser Drang nach etwas Unbestimmten, der Deniz durch die Stadt treibt, von U-Bahn zu U-Bahn, vom Alexanderplatz in den Tiergarten. Die Kamera lässt ihr bei alledem viel Platz, damit sie sich finden kann. Und wenn es nicht klappt, an diesem schönen Tag, dann eben morgen. Die Freiheit ist da, die jungen Türken sind angekommen in Deutschland. Das könnte zumindest das Ziel seiner Trilogie gewesen sein, die Thomas Arslan nach "Geschwister" und "Dealer" mit "Der schöne Tag" zu Ende gebracht hat. Entsprechend liest sich sein eigener Kommentar über die Rolle von Deniz sehr programmatisch: "Die viel beschworene Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen entspricht nicht ihrer Lebenserfahrung. Sie bewegt sich mit Selbstverständlichkeit durch die Umgebung, in der sie lebt. Sie ist eine Person mit eigenen Geheimnissen, Widersprüchen und Besonderheiten, die sich nicht auf ihre Herkunft reduzieren lassen." Dieser souveräne Umgang mit dem Alltag wird von Arslan keineswegs stilisiert, sondern einfach mit unendlich großer Ruhe festgehalten. Als ein paar türkische Jungs Deniz beschützen wollen, bügelt sie die Schmalspurmachos mit einem kühlen Blick ab. Das muss genügen, die Konflikte um Integration oder ethnische Zugehörigkeit sind passé. Dennoch muss sich Deniz im Film oft entscheiden, wie sie es mit ihrer Herkunft hält. Da ist die Mutter, die keine eben glückliche Ehe geführt hat und die sich nach dem Tod ihres Mannes schutzlos fühlt. Diese Art der "Gewöhnung" will Deniz auf keinen Fall in ihrem Leben zulassen. Andererseits starrt sie ein paar Stunden später fassungslos ihre Schwester Leyla an, als die von ihrer Schwangerschaft erzählt, und dass sie abtreiben will, weil ein Kind dem beruflichen Erfolg im Weg stehen könnte. Da wird es Deniz dann doch zu kalt in der Wirklichkeit. Zum Glück muss die junge Frau bei Arslan solche Widersprüche bis zum Schluss aushalten: Diego, der Portugiese, in den sie sich am Nachmittag verliebt hat, erklärt ihr am Abend, dass er zur Zeit allein lebt, weil seine Freundin in den USA einen Studienaufenthalt verbringt - sie kommt am nächsten Morgen zurück. Für Deniz bleiben von diesem Tag nur schöne Gespräche und Spaziergänge. Leider wird diese Schönheit des Flüchtigen, das sich so sehr in die Nichtsesshaftigkeit der jungen Darsteller einfügt, unverhofft gebrochen. Dann sitzt Deniz im Café einer Lehrerin für Alltagskultur (Elke Schmitter) gegenüber, die ihr recht langatmig und doch seltsam unberührt erklärt, wie Liebe in Zeiten von biografischen Brüchen und Flexibilisierung funktioniert. Danach schwirren die Probleme bloß konturlos im Kopf von Deniz herum, während sie wieder Rohmer synchronisiert. Der Text ist ihr jetzt noch vertrauter als am Anfang, aber er klingt aus ihrem Mund weit weg. Noch fremder als das Fremde ist die Fremde, die man zu sich selbst empfindet.
HARALD FRICKE
"Der schöne Tag". Regie: Thomas Arslan, Deutschland, 74 Min.
taz Berlin lokal Nr. 6371 vom 13.2.2001 Seite 26 130 Zeilen
Kommentar HARALD FRICKE

Tagesspiegel vom 13.2.01:
"Der schöne Tag"
Vor Sonnenaufgang im Forum
Thomas Arslans neuer Berlin-Film
Daniela Sannwald
Noch schläft er und weiß nichts von der Entscheidung, die sie - vielleicht gerade im Moment - trifft. Sie steht für einen Moment nachdenklich am Fenster, bevor sie, ohne noch einen Blick auf ihn zu werfen, die Wohnung verlässt. Ein Sommertag hat begonnen; und Deniz, die junge Heldin dieses Films, läuft durch Berlin - so wie sie es an diesem Tag noch häufig tun wird. Der Film begleitet sie einfach: zu ihrer eigenen Wohnung, an ihren Arbeitsplatz, in ein Café. Zu ihrer Mutter, zu einer Casting-Agentur, in den Tiergarten, zum Bahnhof Zoo, wieder in den Tiergarten und schließlich nach Hause. In den kurzen Pausen zwischen den langen Phasen der Bewegung synchronisiert Deniz einen französischen Film und beendet die Beziehung zu ihrem Freund. Sie plaudert mit ihrer Mutter und lernt Diego kennen. Sie trifft ihre Schwester auf der Durchreise und führt dann bis zum Morgengrauen Gespräche mit Diego. Dann beginnt ein neuer Tag. Es passiert also nichts in diesem Film, der trotzdem und gerade deswegen zu den schönsten des diesjährigen Forums gehört. Wie schon in seinem letzten Film "Dealer" arbeitet Thomas Arslan mit einem Konzept formaler Strenge, ja Kargheit: Details, in denen sich der Blick verlieren könnte, gibt es nicht. Wieder sind die Farben klar und leuchtend, die Interieurs auf das Nötigste reduziert. Aber während sie in "Dealer" trotz des Sommerlichts kalt wirkten und Berlin eine bloße Ansammlung disparater Orte zu sein schien, zeigt "Der schöne Tag" eine wärmere, freundlichere und zusammenhängende Stadt. Es wird wenig gesprochen, aber die Figur der Deniz (Serpil Turhan), auch wenn sie äußerlich unbewegt bleibt und aufrecht, gefasst und nicht zu schnell geht ihrer Wege geht, füllt mit ihrer hohen Präsenz die Leinwand aus. Am deutlichsten wird das in einer Casting-Szene: Sie soll von einem Film erzählen, der sie beeindruckt hat. Sie sitzt vor einer leuchtend blauen Wand und schaut frontal in die Kamera. Sie sagt nichts. Als sie zu sprechen beginnt, geschieht das in Form eines Berichtes. Unbeteiligt, aber ausführlich schildert sie die Handlung des Films, fast leiernd. Und trotzdem ist man gespannt, wie es weitergeht und was sie daran interessiert haben könnte. Thomas Arslan lässt Deniz ohne jedes Gepäck durch Berlin streifen; Geld und Zigaretten hat sie einfach in die Taschen ihrer Jeans gestopft. So ist sie ganz unbelastet - und aufmerksamer ihrer Umwelt gegenüber. Nichts kann sie ablenken von ihrer Suche, die womöglich doch eine Suche nach dem Glück der Liebe ist.

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Peripher
Filmverleih im fsk Kino
Segitzdamm 2
10969 Berlin

Tel: 030 6142464
Fax: 030 6159185
email: peripher@fsk-kino.de

www.peripherfilm.de

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Der schöne Tag läuft in folgenden Kinos
(Stand: 16.09.02)


20.-24.10. Alpirsbach Subiaco

29.10. Höchst Filmforum

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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4 Fotos & das Plakatmotiv zu "Der schöne Tag "
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Bilge Bingul & Serpil Turhan



Serpil Turhan
969 x 627 Pixel

Serpil Turhan


Serpil Turhan


Serpil Turhan

Das Plakatmotiv:
1311 x 1775 Pixel

www.kinopresseservice.de