Auf dem Filmfestival Rotterdam haben wir den dritten Spielfilm von
Sarunas Bartas aus Litauen entdeckt. Die beiden Vorgänger "Drei Tage"
(1991) und "Der Korridor" (1995) liefen nach sehr guten
Presserezensionen recht erfolgreich in unserem Berliner Kino. Nachdem
von "Der Korridor" nur eine Festivalkopie von der Produktionsfirma zu
erhalten war, haben wir beschlossen, von "Few of us" eine Kopie ziehen
zu lassen für all die Kinos, deren Betreiber Spaß daran haben,
ungewöhnliche Filme vorzustellen.
"Few of us", der zwar einen sehr eindrucksvollen Soundtrack, aber keine
Dialoge hat, spielt in einer gottverlassenen Gegend Sibiriens, bewohnt
von Tofalaren, einem asiatischen Nomadenvolk, das um 1930 zur
Seßhaftigkeit gezwungen wurde. (Der Titel des Films bezieht sich
darauf, daß zu diesem Volk nur noch ca. 700 Menschen zählen.)
Durch die Ankunft einer rätselhaften jungen Fremden (Katerina Golubeva)
gerät das Leben im Dorf durcheinander. Doch erzählt Bartas nicht
wirklich eine Geschichte, sondern zeigt uns Bruchstücke, die wir
zusammensetzen können (oder auch nicht), eine atemberaubend schöne
Landschaft, die er liebt, Nomaden, die, ihrer normalen Lebensform
beraubt, sich dem Alkohol ergeben und läßt in unseren Köpfen das Bild
der Persönlichkeit seiner Heldin entstehen: Die Narben in ihrem
Gesicht, die schnellen, brutalen Tritte, mit denen sie sich einiger
zudringlicher Männer erwehrt, sagen mehr als tausend Worte über die
Geschichte dieser Frau. Bartas beherrscht das Stilmittel des Weglassens
meisterlich und lenkt so den Blick auf das Wesentliche. Seine Filme
sind in jeder Hinsicht einzigartig.
Litauen/Frankreich 1996, Regie, Buch, Kamera: Sarunas Bartas
Schnitt: Mingaile Murmulaitiene, Ton: Vladimir Golovnitsky, D.:
Katerina Golubeva, Sergei Tulayev, Piotr Kishteev, Yulia Inozemtseva,
Konstantin Yeremeev