zwei Fotos 9x6cm, 200dpi, jpg gibt's auch

Dealer

Willst du als Dealer nicht bei deinen Hintermännern in Ungnade fallen, darfst du dich nicht mit Zivilbullen sehen lassen. Willst du auf keinen Spitzel hereinfallen, darfst du niemandem trauen. Willst du deine Familie zusammenhalten, mußt du dein Versprechen, mit dem Dealen aufzuhören, irgendwann einlösen. Can verletzt diese Regeln und verliert wachen Auges seine Freunde, seine Freiheit und seine Familie. Das ist die Handlung von Thomas Arslans drittem Spielfilm Dealer, der freilich weniger äußere Vorgänge, als innere Zustände beschreibt. Dominierten in Geschwister noch die Interaktion des Protagonisten mit seinen Altersgenossen, die langen Gänge durch ein charakteristisches Kreuzberg, so zeigt Dealer im Wesentlichen ein statisches, verschlossenes, fast unkenntliches Berlin: anonyme Wohnstätten mit der obligatorischen Satellitenschüssel, heruntergekommene Gewerbehöfe, den dunklen Flur eines Altbaus. In unwirklich schönem Kontrast dazu die klaren, intensiven Farben des Sommers, bunte Wände, saubere Stiegen, das saftige Grün der Bäume, die vor den Fenstern im Wind rauschen. Mit minimalistischen Mitteln beschreibt Dealer den Geisteszustand seiner Hauptfigur: knappe Dialoge, angedeutete Bewegungen, kaum Musik. Gedankenverloren steht Can nachts auf der Straße, hinter ihm die verschwommenen Verkehrslichter, auf dem Soundtrack leiser Trip Hop. (Ch. Terhechte)
Bei der Darstellersuche zu Geschwister sind wir einer Reihe von Personen begegnet, die sich mit einem oder beiden Beinen in einer kleinkriminellen Szene bewegt haben. Einer von ihnen war auch für eine größere Rolle vorgesehen, was sich jedoch zerschlagen hat, da er kurz vor Beginn der Dreharbeiten im Jugendgefängnis gelandet ist. Es gab etwas, das mir bei vielen von ihnen aufgefallen ist: diese Mischung aus Vitalität und Fatalismus, eine ganz eigentümliche Konfusion. Das hat mich interessiert. Das war nichts, was in Geschwister unterzubringen gewesen wäre. So ist schließlich ein eigenes Projekt daraus geworden. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, den Alltag einer solchen Person zu erzählen. Es war mir klar, daß dieses Thema verstellt ist durch einen Haufen von Klischees, insbesondere von denen des `kriminellen Ausländers'. Ich habe mich gefragt, ob es nicht doch möglich ist, es etwas anders zu zeigen. Und ich habe mir gedacht, wenn es schon nicht möglich ist, völlig an den Klischees vorbeizugehen, dann kann man vielleicht versuchen, durch sie hindurchzugehen, d.h. von ihnen auszugehen, sie zu benutzen, um sie dann nach und nach aufzulösen, so daß etwas anderes sichtbar werden kann. Hierbei war es wichtig, bei der Darstellung der Personen türkischer Herkunft auf jedes folkloristische Detail, auf jede Behauptung oder Problematisierung einer `Fremdartigkeit' zu verzichten. Des weiteren galt es, die Hauptfigur nicht in der Opferrolle einzuschließen, ohne schlicht in das Gegenteil, die ungebrochene Darstellung eines `harten Burschen' zu verfallen. Ich wollte in diesem Zusammenhang auch von den Dingen reden, an denen sich jemand wie Can den Kopf einrennt. Dinge, die er nicht in der Hand hat. Er bewegt sich in einem Umfeld, das ihm kaum Handlungsspielraum läßt. Dennoch überträgt er die Verantwortung für sein Handeln niemand anderem als sich selbst. Auch wenn es ihm in seiner Verwirrung nicht gelingt, seine Situation klar zu erfassen, ist Cans Zustand nicht einfach nur pathologisch, sondern ist auch Ausdruck eines Gespürs für die Krankheit der ihn umgebenden Wirklichkeit." (Thomas Arslan)

BRD 1999, 74 Min., R+B.: Thomas Arslan, K.: Michael Wiesberg, D.: Tamer Yigit, Idil Üner, Birol Ünel, Hussi Kutlucan, Lea Stefanel  

hier im Kino