fsk Kino

Der Pfad des Kriegers

Der Pfad des Kriegers

[Inhalt] [Biographie] [Credits] [Über den Film] [Pressematerial]























INHALTDer Pfad des Kriegers

Kurzinhalt
Erste Welt, Du bist die Letzte
Die Geschichte von Michael, dem Ministranten aus Südtirol, der in Bolivien zu Comandante Miguel wird.
Als angehender Priester will Michael noch friedlich gegen Armut kämpfen, für die Verzweifelten, für mehr soziale Gerechtigkeit. Doch mit 29 Jahren geht er in den Untergrund und entführt einen Industriellen. Bei der Befreiungsaktion erschiesst ihn die Polizei.
1990, im Deutschland der Wendezeit, geht die Todesnachricht unter.  Nach den Ereignissen des 11. September 2001 begibt sich Grimme-Preisträger Andreas Pichler auf die Spuren
seines Jugendfreundes. Auf die Spur einer Radikalität, die ihm im Laufe seiner
Recherche immer weniger abwegig erscheint.
War Miguel verblendet oder beseelt? War er ein Überspannter oder ein Märtyrer?
Der Film zeigt, wie ein Junge aus gutem Hause das „Gottesreich auf Erden“ sucht
und darüber zum Terroristen wird. Ein Lebenslauf, der uns heute nur allzu bekannt
vorkommt.

Inhalt
La Paz, 1990. Nachrichtenbilder, hektische Reporter, grobkörnige Fotos. Seit
Monaten hat das Kommando Nestor Paz Zamora den Coca-Cola-Repräsentanten von
Bolivien in seiner Gewalt. Der Innenminister fordert die Geiselnehmer auf, sich zu
ergeben. Doch es kommt zu keinem friedlichen Ende. Bewaffnete Soldaten stürmen
das Haus, in dem sich die Gruppe verschanzt hat. Comandante Miguel, 29 Jahre alt
und als Missionar aus Deutschland gekommen, springt aus dem Fenster und wird
wie die Geisel und zwei seiner Gefährten erschossen.
Südtirol, ein Winter in den siebziger Jahren. Michael rast auf seinem Schlitten den
steilen Abhang hinunter, aber er hat keine Angst. Er dreht sich sogar lachend zur
Kamera um, die die Schussfahrt in wackligen Bildern verfolgt. Winter in Tirol hieß
Tiefschnee. Jugend im provinziellen Bozen, das hieß Jungschar - „und danach
Ministrant. So war das eben“, sagt der Dokumentarfilmer Andreas Pichler, der sich
auf die Spur seines Kindheitsfreundes begibt. Michael war sein Vorbild, als sie in
einem Milieu aufwuchsen, in dem sich alles um die Pfarrkirche drehte.
Schon als Jugendlicher ein Idealist und Romantiker, beschließt Michael mit 18 Jahren,
Missionar zu werden. Er studiert in London und geht 1982 als Jesuiten-Novize nach
Lateinamerika.
Es ist die Zeit der Nicaragua-Poster und Sandinista-Platten. Auch der junge Mann
aus Tirol will die Welt verändern. Er lässt sich mitten unter den Armen Boliviens
nieder, er lernt das soziale Elend kennen, die grauenhaften Slums von El Alto, die
Minen in Potosi. Er arbeitet Tag und Nacht, beginnt, sich mit den Unterdrückten zu
identifizieren und nennt sich jetzt Miguel. Sein Unmut gilt besonders der
Ausbeutung der Entwicklungsländer durch die sogenannte Erste Welt. Nach Hause
zur Mutter und zum Bruder schickt er Cassetten, auf denen er bolivianische
Volkslieder singt. Und irgendwann steht in seinen Briefen, die Lehre Jesu könne nur
mit Waffengewalt durchgesetzt werden.
Michaels Freunde betrachten seinen Tod als das traurige Ende einer modernen
revolutionären Bewegung, deren Stadtguerilla in Europa längst gescheitert war.
Pichler muss wieder an ihn denken, als 2005 ein paar junge Männer eine Londoner
U-Bahn in die Luft jagen. Die Radikalen, denen der Glaube aus dem Ruder lief - sie
sind gebildete junge Männer aus dem Mittelstand, liebenswerte Nachbarn, sozial
engagiert. Wollte Michael, dessen Kampf den Machtlosen und Gedemütigten galt,
der sich für ein „Gottesreich auf Erden“ einsetzte, wollte auch er ein Märtyrer sein?
Der Film beginnt seine Suche beim Kruzifix in der Tiroler Dorfkirche. In der Brust
Jesu, da, wo das Herz ist, klafft eine tiefe, blutende Wunde. Michaels Bruder meint,
der Jesus ihrer Kindheit sei „eher ein Softie“ gewesen. Der Mutter fällt es noch
heute schwer, über das verlorene Kind zu sprechen.
Pichler reist nach Bolivien, um die Orte und Menschen aufzusuchen, die in Miguels
Leben eine Rolle spielten. Und findet alles vor, wovon in Miguels Briefen und
Tagebüchern die Rede war. Verwahrlosung, Verzweiflung, die Niederlage jeder
Vernunft. Der Gedanke, dass mit herkömmlichen Mitteln auf dieser Welt nichts
mehr auszurichten sei, scheint hier gar nicht so abwegig. Die detektivische
Spurensuche wirft Fragen auf, Fragen nach verlorenen Idealen und den Werten
einer ganzen Generation.
Michaels Briefe und sein Tagebuch der Geiselnahme lassen ihn im Film lebendig
werden. Ehemalige Mitglieder des Kommandos erzählen - noch immer bewundern
sie seinen Ernst, seine Disziplin, und belächeln sein Ungeschick im Handwerk des
Guerilleros. Doch er selbst beschreibt die Zerrissenheit, die aus der Ungeduld
entsteht, er selbst erkennt den „Scheideweg“, als er vor ihm steht. Der Film kann
deshalb tief in Miguels Herz und Kopf sehen. In die Psyche eines unerfahrenen
Kämpfers und erprobten Gläubigen, der diesen Widerspruch nicht überlebte.
 

[zurück nach oben]










CreditsDer Pfad des Kriegers

Deutschland / Schweiz / Italien 2008, 91 Minuten

Mit: Flora Nothdurfter, Otwin Nothdurfter, Ludwig Thalheimer, Dante Limaya, Paola Acasigue,                       Gonzalo Muñoz, Roberto Ibarguen, Sonia Brito,
Rafael Puente

Buch und Regie: Andreas Pichler
Kamera:  Susanne Schüle
Ton und Sound Design:  Stefano Bernardi
Montage:  Marzia Mete, Andreas Zitzmann
Musik Paul Lemp
Mischung Hartmut Teschemacher, Konken Studios
Produzent Thomas Tielsch
Koproduzenten Samir, Valerio Moser
Redaktion ZDF Burkhard Althoff
Redaktion ARTE Kathrin Brinkmann
Line Producer Britta Erich
Aufnahmeleitung Tobias Steinhauser, Paola Gosalvez
Produktionsassistenz Nora Ambun-Suri, Jan-Peter Heusermann,
Anna Thayenthal, Regina Calvo (La Paz)

Recherche und Exposé Martin Kucera
Produktionsleitung (CH) Tunje Berns
Zweite Kamera Osmund Zöschg, Martin Prast
Farbkorrektur Robin Schmude, Chroma
Grafik Fabian Reber
FAZ Schwarzfilm
Sprecher Felix Kramer, Andreas Pichler

Filmtank in Koproduktion mit Dschoint Ventschr Filmproduktion, Miramonte Film,
ZDF – Das Kleine Fernsehspiel
In Zusammenarbeit mit ARTE, Schweizer Fernsehen, RAI - Sender Bozen
Gefördert von FilmFörderung Hamburg, BKM, Züricher Filmstiftung, 
Autonome Provinz Bozen-Südtirol
Entwickelt mit Unterstützung des MEDIA-Programms der EU

Pressematerial - www.kinopresseservice.de

[zurück nach oben]






Biografie Regisseur

Biografie

Andreas Pichler wird 1967 in Bozen/Italien geboren. Er besucht dort die Schule für
Fernsehen und Film Zelig, studiert danach Film- und Kulturwissenschaften an der
Universitá degli Studi di Bologna und Philosophie an der Freien Universität Berlin,
wo er mit dem Magister abschliesst . Während des Studiums realisiert er mehrere
Kurz- und Tanzfilme sowie Videoinstallationen, die auf zahlreichen Festivals
Anerkennung finden und Preise gewinnen. Seit Ende der 90er Jahre arbeitet er
hauptberuflich im Bereich Dokumentarfilm. Viele seiner Filme sind mit Europäischen
Förder- und Fernsehanstalten koproduziert ( z.B. ZDF, ARTE, ORF, RAI, YLE,
IKON, 3sat) und waren auf zahlreichen internationalen Festivals zu sehen.
Für seinen Film „Call me Babylon" (Produktion: filmtank) wurde er 2004 in
Deutschland mit dem Adolf Grimme Preis als Autor und Regisseur ausgezeichnet.
Heute arbeitet Andreas Pichler in Deutschland, Italien, Österreich
und der Schweiz.

Filme

Franco D’Andrea – Jazz Pianist, Dokumentarfilm, 55 min, I 2006
August auf der Flucht, Dokumentarfilm, 48 min, I / 2006
Meine 3 Zinnen, Dokumentarfilm, 41 min, I/A/F/SF 2005
Yin und Yang im Allgäu, Doku-Serie, 5 x 26 min, D 2005, ZDF/arte, filmtank
Antonio Negri – eine Revolte, die nie endet, TV-Dok., 52 min, D/S/SF 2004
Call me Babylon, Dokumentarfilm, 75/52 min, D/NL/B 2003 (filmtank)
Alles, was ich brauch – Leben zwischen 15 und 18, TV-Dok, 43 min, 2003,
Musik als Dauerzustand – Der Komponist Max Reger, TV-Dok., 43 min, I 2002,
Mirabella-Sindelfingen, Dok., 54 min, D / I / DK 2001 (filmtank)

[zurück nach oben]









Über den FilmDer Pfad des Kriegers

Zwischen dem Deutschland der Bleiernen Zeit und dem Aufmarsch der Globalisierungsgegner in den Abendnachrichten liegen gut 20 Jahre, in denen die
Geschichte von Michael alias Miguel Zeit zum Reifen hatte. Der preisgekrönte Dokumentarfilmer Andreas Pichler portraitiert in PFAD DES KRIEGERS nicht nur einen Freund aus seiner Kindheit, der mit 29 Jahren sterben musste. Er gräbt auch verschüttete Erinnerungen an einen Idealismus aus, mit dem sich junge Post-68er
voller Wucht und Sehnsucht auf Lateinamerika warfen. Über dem enormen medialen Aufwand zum Thema RAF sind die Venceremos-Romantik, die Ponchos und Dritte-Welt-Läden ein wenig in Vergessenheit geraten. Ebenso, dass es in der seinerzeit so geschmähten Null-Bock-Generation nicht wenige gab, die vorhatten, die Welt zu verändern. Und zwar am anderen, unteren Ende der Welt.
Doch es ist schließlich der 11. September 2001, an dem Pichler sich die Fragen stellt, die seinen Film bestimmen, und die sich aus dem ungewöhnlichen, manchmal wie gelenkt wirkenden Leben Michaels ergeben - aus der „Chronik eines angekündigten Todes“, wie ein überlebender Kampfgenosse wehmütig lächelnd sagen wird. Denn die Selbstmordattentäter von Manhattan wollten sterben, sie taten es ausdrücklich in Erfüllung ihres Glaubens, der den „Märtyrern“ das Paradies versprach.
Und Michael? Der im beschaulichen Tirol der Siebziger als Christ erzogen worden war, der in einer Franziskanerschule eine „gediegene moralische Erziehung“ genossen hatte und nach Lateinamerika ging, um Gottes Wort zu verbreiten? Auch ihm, der später Sprengstoffattentate verübte und einen Manager als Geisel nahm, war der Zusammenhang zwischen Glaube und Tod früh bewusst. In seinem Tagebuch fragt er sich, „wie lange ich es wohl am Kreuz aushalten werde“.
Er schreibt in einem Brief an die Mutter über Christen, die bereit waren, für ihre Religion Folter und Tod auf sich zu nehmen. Als sich schließlich seine große Liebe von ihm trennt, kündigt er an, den „Krieg der Liebe bald ganz zugunsten des Krieges der Politik aufzugeben, denn dieser erscheint mir viel einfacher.“ Und das Wort
„Krieg“ scheint ihm da keineswegs zu radikal.
Bewusst verzichtet Pichler darauf, aus dem gottesfürchtigen Michael oder dem späteren Terroristen Miguel eine Filmfigur zu machen. Bewusst führt er selbst als Ich-Erzähler durch den Film, der eine Reise von der Tiroler Pfarrkirche ins heutige Bolivien unternimmt. Denn die ausführlichen, in Briefen und Tagebüchern überlieferten Gedanken - manchmal Grübeleien - von Michael sind alles andere als tot. Sie führen Pichler an Orte, an denen von dem Freund wie von einem Helden gesprochen wird, an dem heute noch Menschen Tränen über sein Schicksal
vergie‡en. Ein Genosse hat seinen Sohn nach ihm benannt, eine Mutter in einer ländlichen „Comunidad de Trabajo“ erinnert sich bewegt, wie Miguel mit ihnen lebte und frühmorgens mit zur Feldarbeit ging, „als gehöre er zu unserer Familie.“
Und die Mitglieder seiner Guerilla-Gruppe, die zum Teil lange Haftstrafen hinter sich haben, sprechen ehrfürchtig von Michaels Intelligenz, von seiner Disziplin und Beharrlichkeit. Einer von ihnen weist darauf hin, welch „grosses Potential“ die Kämpfer hatten, dass sie in einem anderen Leben vielleicht Ärzte, Anwälte, Priester geworden wären - eine weitere Parallele zu den Attentätern von London, Madrid oder New York.
Der Film zeigt auch den abenteuerlustigen jungen Mann, der auf der Gitarre Beatles-Lieder spielt und den Applaus seiner neuen bolivianischen Freunde genießt: „Vielleicht werde ich ein Pop-Star“. Und den etwas linkischen Intellektuellen, der sich so garnicht für die Pirsch durch den Dschungel und ähnliche Anforderungen des
Guerrillero-Lebens eignete.
DER PFAD DES KRIEGERS kommt den Motiven des jungen Gläubigen so nahe, weil er das schreckliche Ende nicht als Ergebnis eines Bruchs beschreibt. Vielmehr stösst Pichler bei seiner Bildersuche auf die gleichen Szenen, denen Michael vor 25 Jahren entsetzt beigewohnt hat. Er sieht die gleichen Minenarbeiter in der Misere, er sieht
das gleiche soziale Elend, er sieht das, was Miguel nach dem Kontakt mit den Marxisten der Universität die „Ausbeutung der Dritten durch die erste Welt“ nannte. Und er kann den Heiligen Zorn, wenn nicht billigen, so doch nachvollziehen, der den angehenden Missionar bewegte.
Zumindest wird ihm bewusst, wie sehr sein damaliger Freundeskreis, vielleicht auch seine Generation, noch von der Idee beseelt war, eine andere Welt sei möglich. Wie aber viele von ihnen „für diesen Kampf zu spät kamen“, oder sich garnicht erst hineinbegeben wollten.
Dass sein Freund tatsächlich und in verhängnisvoller Weise zum Krieger geworden war, erkannte Pichler, wie auch Michaels Familie, erst nach seinem Tod. Nur der Bruder spricht von einem Indiz der radikalen Wandlung, das noch in ihren Jugendtagen liegt. Als sie nämlich entdeckten, dass der „Softie“-Jesus ihrer Kindheit in Wirklichkeit ein sozialer Rebell und Revolutionär war. „Das machte ihn plötzlich greifbar und nachvollziehbar“.
Pichlers Kommentar besteht darin, Michaels Weg in den Kontext der Befreiungstheologie zu stellen, die damals den Alltag der unterdrückten und bettelarmen Bevölkerung in Lateinamerika prägte. In Archivaufnahmen zeigt er die Priester der „Armenkirchen“, wie sie im Kampfanzug in Dschungelcamps sitzen. Sie predigen die dem Vatikan - und den Regimes - so verhassten sozialistischen Ideen, weil „in einer extremen Notsituation die lebensnotwendigen Dinge allen gehören.“
Mit den Bildern der verarmten Mineros, die sich selbst öffentlich „kreuzigten“, um gegen ihre ausweglose Lage zu demonstrieren, scheinen Christentum und Widerstand eine unwiderlegbare Verbindung einzugehen.
In PFAD DES KRIEGERS ist die Mär vom Märtyrer nicht als „eine erbauliche, eine abschreckende Erzählung“ gedacht, sondern als Ausflug in die Psyche eines Menschen, der die Pflicht zur Auflehnung spürt. Der Kreis zwischen den Lateinamerika-Romantikern der Achtziger Jahre, den heutigen Globalisierungsgegnern
und den islamischen Gotteskriegern kann sich niemals schließen. Aber was in seiner Mitte liegt, so erinnert uns Pichler, geht nicht nur die Radikalen etwas an. Wenn es stimmt, dass erst das Ende einem Leben seine Logik verleiht, dann muss uns Michael als Terrorist in Erinnerung bleiben. Wenn nicht, dann war er einfach ein
menschlicher Christ, dem zum Verhängnis wurde, was eine typische Sünde der Jugend ist: Die Ungeduld.

Der Regisseur Andreas Pichler über seinen Film:
Der Tod von Michael hat mich damals, 1990, sehr getroffen. Als der
islamistische Terror in Europa in die Schlagzeilen rückte, musste ich wieder
an ihn denken, und daran, dass es auch bei uns im Westen und damals vor
allem in den linken Bewegungen immer wieder junge Menschen gab, die
bereit waren, für den politischen Kampf sogar ihr Leben zu opfern.
Diese Geschichte heute zu erzählen, ist für mich der Versuch herauszufinden, was
damals in Michaels Kopf ablief und was in seinem Umfeld wirklich Thema war.
Und es ist der Versuch zu verstehen, was junge Leute dazu bewegt, den Märtyrertod zu
suchen.





[zurück nach oben]