LOS 

LOS

Die Bilder in LOS, wie die in EL VALLEY CENTRO, sind unauslöschlich, ein Ergebnis der schieren Dauer der starren Kameraeinstellungen. Weil die Kamera so unbeweglich ist, muss das Auge des Zuschauers seine eigene Arbeit verrichten, um der Bewegung zu folgen, die sich im Bildkader vollziehen mag. Den Bildkader mit dem eigenen Auge abzusuchen, und Zeit zur Auswahl dessen zu haben, was man im jeweiligen Bild betrachten möchte - dies schafft ein Simulakrum unmittelbarer Erfahrung, das im Film selten ist. Anders gesagt: Nachdem ich LOS gesehen habe, erinnere ich mich an einige der porträtierten Orte, als ob ich selbst dort gestanden und sie zweieinhalb Minuten betrachtet hätte.
Die Bilder selbst sind eine Ansammlung von Arbeit, Struktur, Natur, Infrastruktur und, in einem geringeren Grad, sozialem Raum. Die in LOS dominierenden unbevölkerten - bzw. von Menschen in Autos oder Lastwagen bevölkerten - Räume erinnern unablässig daran, wie anthropozentrisch viele Filme sind. LOS porträtiert menschliche Arbeit, indem er uns ansehen lässt, wie Lastwagen schwerfällig eine Bergstraße entlang fahren, Gabelstapler Wracks auf einem Schrottplatz umherschwingen oder Frachtschiffe in die Werft einlaufen.
0er Film rückt auch die Landschaft in den Blickpunkt, die nach Einwirkung des Menschen übrig geblieben ist:  Das Zementbett des L.A. River; gepflasterte Strände, die in die Sanddünen führen und darauf warten, den Zuschauer zu ungebauten Wohnungsentwicklungsstätten zu bringen; der kalifornische Aquädukt; eine neblige Autobahn aus großer Höhe betrachtet; der Parkplatz eines Mini-Einkaufszentrums
mit koreanischen Geschäften; eine pulsierende Dampfwalze.
Die wenigen sozialen Räume sind mit Bedacht ausgewählt. Bilder von Frauen und Kindern, die von Besuchen aus einer Strafanstalt zurückkehren; von Obdachlosen, die sich auf der Straße miteinander unterhalten; und leere Blicke auf Yuppie-Fußgänger beim Überqueren der Arco Plaza. Diese Bilder porträtieren die soziale Entfremdung der Landschaft von Los Angeles als klassenübergreifend, wenn auch nicht überall in gleicher Weise. Das Bild mit den das Gefängnis verlassenden Familien prägt sich am tiefsten ins Gedächtnis ein.
Diese Bildfolge evoziert eine Landschaft von Los Angeles, wie sie in den Repräsentationen der lokalen Kulturindustrie traditionellerweise nicht zu finden ist. Die merkwürdigen Ähnlichkeiten zwischen LOS und den weit ausholenden Ansichten von EL VALLEY CENTRO werden der ambivalenten Haltung des Filmemachers gegenüber seinem Gegenstand nicht gerecht. Die ausladenden und dabei kargen Räume, die der Film zeigt, kommen einer Beschreibung der gedrängten Realität vieler dichter gefüllter Räume von Los Angeles in keiner Weise nahe. Aus eben diesem Grund wurde der Film LOS anstelle von Los Angeles genannt. Benning gibt zu, dass er es vermeidet, nach Los Angeles zu fahren, und dass er kein vollständiges Porträt der Stadt anfertigen wollte.
Megan Shaw Prelinger, in: Bad Subjects, Berkeley 4. Mai 2OO1,
http ://bad.eserver.org


USA 2000
        
Produktion: James Benning

Kamera, Ton, Schnitt: James Benning

Format: 16mm, Farbe
Länge: 90 Minuten, 24 Bilder/Sek.

Pressezone