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Brand upon the brain

Brand upon the brain

[Inhalt] [Biographie] [Credits] [über den Film] [Interview] [Pressematerial] [Trailer]


"Der wahrscheinlich hysterischste Film des Festivals - blutrünstig, überbordend mit visuellen Einfällen, exaltiert, zum Brüllen komisch." Verena Lueken



















INHALTBrand upon the brain

Der Protagonist namens Guy Maddin verbringt seine Kindheit zusammen mit seiner halbwüchsigen Schwester auf einer geheimnisvollen Insel, die er später erben wird. Ebenfall auf dieser Insel lebt eine Gruppe von Waisenkindern. Sie alle wohnen zusammen in einem Leuchtturm, der gleichzeitig als Waisenhaus dient. Guys tyrannische Mutter verfolgt jede Bewegung der Kinder von der Spitze des Leuchtturms aus, während sein Vater, ein Wissenschaftler und Erfinder, heimlich Tag und Nacht im Keller arbeitet.
Eines Tages entdeckt ein Elternpaar, das kürzlich Kinder aus dem
Waisenhaus adoptiert hat, rätselhafte Kopfverletzungen bei den Kleinen. Daraufhin machen sich die beiden jungen Detektive Wendy und Chance Hale – ein Geschwisterpaar –, auf den Weg zu Guys Insel, um den Fall zu untersuchen. Während Guy von seiner ersten Schwärmerei für Wendy völlig aus der Bahn geworfen wird, blüht seine Schwester auf unter dem Eindruck ihrer Liebe zu Chance – wovon die Mutter auf keinen Fall etwas erfahren darf.  Im Verlauf der Untersuchungen stoßen die Kinder auf dunkle Familiengeheimnisse.




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CreditsBrand upon the brain

Land: USA, Kanada 2006. Produktion: The Film Company, Seattle.
Regie: Guy Maddin. Buch: Guy Maddin, George Toles.
Kamera:
Benjamin Kasulke. Musik: Jason Staczek.
Production Design:
Tania Kupczak. Kostüme: Nina Moser. Maske: Denise Giago, Dan Wolcott. Casting, Production Manager: Joy Fairfield.
Schnitt:
John Gurdebeke. Produzenten: Amy E. Jacobson, Gregg Lachow. Executive Producers: Jody Shapiro, Philip Wohlstetter, A. J. Epstein. Regieassistenz: Anna Waggoner.

Darsteller: Gretchen Krich (Mutter), Sullivan Brown (Guy Maddin, jung),
Maya Lawson (Schwester), Chance Hale/Wendy Hale (Katherine E. Scharhon),
Todd Jefferson Moore (Vater), Andrew Loviska (Tom), Kellan Larson (Neddie),
Erik Steffen Maahs (Guy Maddin, erwachsen), Cathleen O’Malley (junge Mutter), Clayton Corzatte (alter Vater), Susan Corzatte (alte Mutter),
Megan Murphy, Annette Toutonghi (mörderische Schwestern),
David Lobo, Eric Lobo (Ruderer),
Sarah Harlett, Daniel Tierney (adoptionswillige Eltern),
David Armo, Erica Badgely, Riley Calcagno, Jesa Chiro, Munya Chiro, Bailey Gibart, Frank Hughes (Waisenkinder).

Format: 35mm (gedreht auf Super8), 1:1.85, Schwarzweiß. Länge: 95 Minuten,
24 Bilder/Sekunde. Originalsprache: Englisch.
Uraufführung: 8. September 2006, Internationales Film Festival Toronto

Verleih: Arsenal - Institut für Film und Videokunst e.V.

Pressematerial www.kinopresseservice.de

All photos © Adam L. Weintraub


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BiografieBrand upon the brain

Guy Maddin wurde am 28. Februar 1956 in Winnipeg, Kanada gebo-  
ren. Er studierte Volkswirtschaft an der Universität von Winnipeg. Als
Autodidakt drehte er 1985 seinen ersten Kurzfilm,



Filme
1985: The Dead Father. 1988: Tales from the Gimli Hospital. 1989:
Mauve Decade. BBB. 1990: Archangel. Tyro. 1991: Indigo High-Hatters.
1992: Careful. 1993: The Pomps of Satan. 1994: Sea Beggars. 1995:
The Hands of Ida. Odilon Redon or The Eye Like a Strange Balloon
Mounts Towards Infinity. 1996: Imperial Orgies. 1997: Twilight of the
Ice Nymphs. 1998: The Hoyden. 1999: Hospital Fragment. Maldoror:
Tygers. The Cock Crew. 2000: The Heart of the World. Fleshpots of Anti-
quity. 2001: It’s a Wonderful Life. 2002: Dracula – Pages from a Virgin’s
Diary. Fancy, Fancy Being Rich. 2003: The Saddest Music in The World.
2004: Cowards Bend the Knee. Sissy Boy Slap Party. Sombra dolorosa
(Sorrowful Shadow). A Trip to the Orphanage. 2005: My Dad Is 100
Years Old. 2006: Nude Caboose. BRAND UPON THE BRAIN!


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Über den FilmBrand upon the brain

Gegen alle Regeln
Guy Maddin, geboren und aufgewachsen in Winnipeg, ist Kanadas eigenwilligster Regisseur und bekannt dafür, alle Regeln zu ignorieren und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Vor sechs Jahren drehte er eine ergreifende Hommage an den Stummfilm: The Heart of the World – einen der besten Kurzfilme, die jemals gedreht wurden. Diese Leidenschaft treibt er in seinem abendfüllenden Spielfilm BRAND UPON THE BRAIN! mit wildem Ehrgeiz auf die Spitze. (...)
    Der Untertitel des Film lautet ‘Eine Erinnerung in 12 Kapiteln‘, und obwohl der Protagonist Guy Maddin heißt, kann man davon ausgehen, dass der Regisseur und Drehbuchautor den Begriff Autobiografie sehr weit ausgelegt hat. Maddin schmückt sein surreales Szenario mit wild-pubertierenden Fantasien aus und lässt seinem lebendigen Einfallsreichtum jede Freiheit. Entstanden ist ein Film, der oft brüllend komisch und überraschend
anrührend ist – eine magische Erfahrung.
Michael Dwyer, in: The Irish Times, 12. September 2006

Interview mit dem Regisseur

Frage: Wie in vielen deiner früheren Filme bilden autobiografische
Parallelen in BRAND UPON THE BRAIN! den Ausgangpunkt des Films.
Kannst du beschreiben, wie du gemeinsam mit dem Co-Autor George
Toles das Drehbuch geschrieben hast? Welche Erinnerungen dienten
als Ausgangspunkt für die Geschichte?
Guy Maddin: Der Angelpunkt meiner Kindheit, der mysteriöse, alles be-
stimmende und explosive Kern dieser Zeit war der andauernde Kampf
zwischen meiner Mutter und meiner älteren Schwester. Der Grund der
anhaltenden Streitereien war der Umstand, dass meine Schwester sich
mitten in der Pubertät befand. Die beiden haben dieses Thema nie
direkt angesprochen, aber im Grunde genommen ging es immer nur
darum. Auch wenn vordergründig Frisuren oder Rocklängen den Anlass
für Diskussionen lieferten, war in Wirklichkeit die Anwesenheit einer
jungen Erwachsenen mit eigenem Willen in unserem Haus der Grund
dafür, dass die beiden Frauen in so heftige Opposition zueinander
gerieten. Mir war klar, dass jede Erinnerung an meine Kindheit um
diese Auseinandersetzung herum gebaut werden musste.
   George Toles schlug vor, die Geschichte in einem Waisenhaus spie-
len zu lassen, weil auf diese Weise automatisch eine große Anzahl
von Kindern im Film vorkommen würde. Es war außerdem sein Einfall,
dass das Waisenhaus in die dunklen Machenschaften des Organhandels
verwickelt ist. Davon ausgehend beschloss ich, die Direktoren des
Waisenhauses zu den Eltern der Hauptfigur zu machen – denn welches
Kind versteht schon, was seine Eltern wirklich im Schilde führen?
Nachdem George und ich uns ein paar dunkle Geheimnisse ausge-
dacht hatten, die vor den zitternden Kindern geheimgehalten werden
mussten, ging es nur noch darum, die jugendlichen Detektive in die
Geschichte einzuführen. (...) Dann erinnerte ich mich an die Qualen
meiner ersten Liebe und daran, wie gut sich dieser Schmerz im Film
darstellen lässt. Ich kombinierte all diese Elemente und war erfreut
zu sehen, wie problemlos alles zusammenpasste. Als die Rahmenhand-
lung stabil und nachvollziehbar schien, konnte ich die vielen Details
– Erinnerungen aus frühester Zeit – einfügen. Der Film ist tatsächlich
eine wahre Geschichte – nur viel, viel besser.

Frage: Der Film vereint Elemente unterschiedlicher Genres: Elemente
des expressionistischen Horrorfilms, des Detektivfilms, Aspekte des
Grand-Guignol-Theaters. Könntest du etwas über die verschiedenen
Einflüsse sagen, die sich in deinem Film vereinen?
Guy Maddin: Vor einiger Zeit las ich eine Reihe von Grand-Guignol-
Stücken und beschloss, irgendwann einmal ein solches Stück zu insze-
nieren. Als feststand, dass ich in Seattle drehen würde, dachte ich so-
fort an Leuchttürme, was mich wiederum an ein Grand-Guignol-Stück
erinnerte, das in einem Leuchtturm spielt und das mir sehr gefallen
hatte. Ich glaube, es handelt von einem Vater und einem Sohn, die
beide an Tollwut erkrankt sind und versuchen, sich gegenseitig umzu-
bringen, bevor das nächste Versorgungsschiff im Hafen ihrer einsamen
Insel anlegt. Ich übernahm die grelle Stimmung des Stücks für mein
Drehbuch, das wiederum perfekt die grelle Stimmung meiner Kindheit
wiedergibt. Wahrscheinlich war eben diese Stimmung der Grund dafür,
warum mir das Stück von Anfang an so gut gefiel.
    Das Genre ‘Jugendkrimi‘ ließ sich problemlos mit meinen Anliegen
verbinden, weil Jugendliteratur meiner Meinung nach viele sexuelle
Anspielungen enthält in all dem, was gesagt und nicht gesagt wird.
Jugendliche Detektive lavieren sich immer wieder in kitzlige, sexuell
aufgeladene Situationen. Und nichts ist erregender als sich vorzustel-
len, jung und in Gefahr zu sein. Für mich jedenfalls.
    Der expressionistische Horror? Naja, der entsteht, wenn das Thema
passt und filmisch mit vielen für die Handlung des Films bedeutungs-
vollen, langen, tiefen, die Rätsel verschleiernden Schatten umgesetzt
wird. Schatten in Schwarzweißfilmen sind viel bedeutungsvoller als in
Farbfilmen. In Schwarzweißfilmen symbolisieren Schatten das Fehlen
von Licht und Wissen. Im Farbfilm bestehen Schatten vor allem aus
lila-brauner Körnung, wofür das auch immer stehen mag. Ein echter
expressionistischer Film muss in Schwarzweiß gedreht werden.

Frage: BRAND UPON THE BRAIN! ist der erste Film, den du außerhalb
deiner Heimatstadt Winnipeg gedreht hast. Wie hat sich dieser Um-
stand auf dein Konzept von Film als Erinnerung ausgewirkt?
G.M.: Der Strand am Puget Sound (Bundesstaat Washington) sieht
genauso aus wie das Seeufer in Gimli, wo sich das etwa eine Stunde
von Winnipeg entfernt liegende Sommerhaus meiner Familie befindet.
Als mein Kameramann Ben Kasulke und ich mit unseren Kameras am
Strand auf- und abgingen, fühlte ich mich wie ein kleiner Junge,
der einem neuen Freund seinen See zeigt. Wir filmten alles, was uns
auf diesem riesigen See-Spielplatz umgab. Ich fühlte mich an diesem
abgelegenen Ort vollkommen zu Hause.

Frage: Wie lief das Casting? Sullivan Brown in der Rolle des jungen
Guy Maddin scheint ausgesprochen treffend besetzt, und Kellan Lar-
son als Neddie strahlt eine solche Verletzlichkeit aus, dass man, wenn
man ihn nur ansieht, weiß, dass etwas Schreckliches passieren wird.
Hast du die Schauspieler vor allem aufgrund ihrer physischen Erschei-
nung ausgewählt, weil es sich um einen Stummfilm handelt?
Guy Maddin: Die Casting-Direktorin Joy Fairfield nahm die Probeauf-
nahmen in Seattle auf und schickte mir die Videobänder. Da es sich
um einen Stummfilm handelt, waren interessante und ausdrucksstarke
Nahaufnahmen der Schauspieler das Wichtigste für mich. Eine aussa-
gefähige Körpersprache ist auch sehr wichtig, die wollte ich jedoch
erst im zweiten Durchlauf sehen. Sullivan Brown gefiel mir nicht nur,
weil er mir in jungen Jahren so ähnlich sieht, sondern weil mich seine
Probeaufnahmen an Jean-Pierre Léaud in der Zeit von Les 400 coups
erinnerten. Er spielte sehr verhalten, grüblerisch. Die Entscheidung
für Kellan Larson fiel innerhalb von zwei Sekunden – er sieht genauso
aus und spielt genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Frage: Obwohl BRAND UPON THE BRAIN! viele wiederkehrende The-
men deiner früheren Filme enthält, fällt seine besondere Modernität
auf: der kinetische Stil des Schnitts, die Geschwindigkeit, mit der die
Zwischentitel vorbeiziehen, die Handkamera etc. Der Film scheint viel
freier zu sein und sich vom gewollten Primitivismus und der Konstru-
iertheit deiner früheren Filme zu unterscheiden. Wie passt sich deiner
Meinung nach BRAND UPON THE BRAIN! in dein Œuvre ein?
Guy Maddin: Ich hoffe, BRAND UPON THE BRAIN! ist – zum jetzi-
gen Zeitpunkt – der Höhepunkt meines Œuvres. Es ist ein Film ohne
Pastiche, eher eine neue Mischung bislang noch nicht kombinierter
filmischer Elemente. Es gibt nichts Unehrliches in diesem Film. Er
folgt seinem eigenen Rhythmus, ist weder langsam noch übermäßig
schnell. Mir gefällt es, wie der Film aussieht, und ich liebe seine
Musik. Wie man weiß, erreicht die Musik das Herz auf dem kürzesten
Weg, und da Jason die Musik so perfekt mit den Bildern verbunden
hat, können auch die Bilder meines Films diese Abkürzung direkt in
die Herzen des Publikums finden – hoffe ich. Das ist die Stärke des
Stummfilms: Er erreicht die Menschen so unmittelbar und mit aller
Wucht wie die Musik. Und genau diesen Effekt erhoffe ich für BRAND
UPON THE BRAIN!

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