Arlit, ein zweites Paris
Arlit, ein zweites Paris - ein Film von 
Idrissou Mora-Kpai


[Inhalt] [Biographie] [Credits] [Über den Film] [Pressematerial]

INHALT

Gegen Ende der Dreharbeiten zu seinem letzten Film – kurz vor seiner
Rückreise nach Europa – verbrachte der Regisseur Idrissou Mora-Kpai
eine Nacht im Haus des nicht mehr ganz jungen Issa, den er in Arlit,
Niger, kennen gelernt hatte. Das war vor siebzehn Jahren; nun macht
der alte Mann sich auf seine letzte Reise nach Arlit, um dort seinen
Sohn und seine Freunde von früher zu besuchen. Der Regisseur Idrissou
Mora-Kpai begleitet ihn dabei und liefert zugleich ein Portrait dieser
Grenzstadt in der Wüste. In den siebziger Jahren war Arlit aufgrund
seines Uranvorkommens, das von der französische Firma Cogema ge-
fördert wurde, ein Eldorado und die Drehscheibe der Region.
Seit den Aufständen der Tuareg [Anfang der achtziger Jahre] und
dem Rückzug des Konzerns aus der Region ist Arlit zu einer Geister-
stadt und einer Anlaufstelle für illegale Immigranten auf dem Weg
nach Algerien geworden.
Der Film beschäftigt sich mit der überraschenden Vielzahl von unter-
schiedlichen Ethnien – einem Ergebnis der kontinuierlichen Migration
–, die die Stadt zu einem unvergleichlichen, phantastischen Ort macht.

   Arlit, ein zweites Paris
 

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Credits

Land: Benin, Frankreich 2005.
Produktion: Noble Films (Cotonou, Benin), MKJ Films (Paris).
Buch, Regie: Idrissou Mora-Kpai.
Kamera: Jacques Bessé.
Ton: Lardia Tchiombiano.
Musik: Amadou Sariki Nomma & die Gruppe Ferdewass Arlit.
Schnitt: Vera Memmi.
Produzentin: Jeanette Jouili.
Format: 35mm, 1:1.85, OmU, Farbe. Länge: 78 Minuten, 24 Bilder/Sekunde. Sprachen: Bariba, Haussa, Tamasheq, Französisch. Uraufführung: 12. Februar 2005, Internationales Forum, Berlin.
Verleih: Freunde der dt. Kinemathek

Pressematerial - www.kinopresseservice.de

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Biografie 

Idrissou Mora-Kpai wurde 1967 in Benin, Westafrika, geboren und
lebte dort bis zu seinem Abitur. Nach Aufenthalten in Algerien und
Italien kam er nach Deutschland, wo er zunächst Amerikanistik an der
Freien Universität Berlin studierte. 1994 begann er an der Hochschule
für Film- und Fernsehen ‘Konrad Wolf’ in Babelsberg Regie zu studie-
ren. Nach Abschluss des Studiums ging Idrissou Mora-Kpai nach Pa-
ris, wo er seinen ersten langen Dokumentarfilm realisierte, Si-Gueriki,
la reine-mère (Si-Gueriki, die Königinmutter, 2002). Im selben Jahr
gründete er seine eigene Produktionsfirma MKJ Films. Er lebt und
arbeitet heute in Paris und Köln.

Filme:
1994:
Ausländer (9 Min).
1996:
Fugace (11 Min).
1998:
Fake Soldier (24 Min).
2002:
Si-Gueriki, la reine-mère (Si-Gueriki, The Queen Mother, 62 Min).
2005:
ARLIT, DEUXIEME PARIS.

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Idrissou Mora-Kpai

Der Regisseur über den Film 

In meinem ersten Dokumentarfilm Si-Gueriki, la reine-mère (2002) ging
es um meine Rückkehr in meine Heimat. Nach mehr als zehnjähriger
Abwesenheit kehrte ich zurück, um meine Mutter zu besuchen, die ich
kaum kannte.
Mit Issa, der Hauptperson in ARLIT, machen wir diese Reise in umge-
kehrte Richtung: Wir besuchen die Stadt, in die er als Jugendlicher
zog und in der er sich ähnlich fremd fühlte wie ich, als ich nach
Europa kam.
Wenn wir über Migration sprechen, denken wir an eine Bewegung von
Süd nach Nord. Wir vergessen oft, dass es auch eine Migrations-
bewegung innerhalb Afrikas gibt, bei der es um die gleichen Proble-
me geht: um Anpassung, Integration und das Gefühl, im Exil zu le-
ben. Darüber hinaus entsteht auch hier eine Kluft zwischen der er-
sten Migranten-Generation, die sich noch an die Heimat erinnert, und
der zweiten Generation, die das Migrationsland bereits als Heimat
betrachtet.
Diese Aspekte der innerafrikanischen Migration werden in meinem
Film am Beispiel von Issa und seinem Sohn Amadou sichtbar.
Alle Bewohner Arlits kommen aus anderen Städten oder Ländern –
mit Ausnahme der Tuaregs, und auch sie stammen ursprünglich nicht
aus der Region. Sie haben ihre weit entfernten Oasen verlassen, um
als Händler oder Handwerker ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Die Stadt Arlit verdankt ihre Entstehung den Uranminen und der Ein-
wanderung. In den siebziger Jahren glich die Stadt New York im 19.
Jahrhundert: Es war ein Ort des Abenteuers, an dem alles möglich
schien und wo jeder sein Glück machen konnte. Die Aufstände der
Tuareg und der Verfall des Uraniumpreises änderten die Situation
grundlegend.
Heutzutage erlebt Arlit einen umgekehrten Trend. Als letzte schwarz-
afrikanische Stadt auf dem Weg durch die Sahara nach Europa ist
Arlit aufgrund seiner geographischen Lage ein beliebter Ort für alle,
die aus dem Süden kommen und in den Norden wollen. In den west-
lichen Medien werden diese Menschen oft als unerwünschte illegale
Migranten dargestellt und nur selten als Individuen, die inmitten der
globalen Probleme wie Armut, Trennung, Exil etc. eine persönliche
Geschichte haben.
Obwohl ich mir der Naivität bewusst bin, die den Eldorado-Träumen
der illegalen Einwanderer in Arlit anhaftet, gehe ich auf das Schicksal
der Männer und Frauen ein, die ihre Familien, ihre Kinder und gelieb-
te Menschen zurückgelassen haben, um diese gefährliche, schwierige
Reise zu machen.
Es fasziniert mich, wie diese Menschen aus den unterschiedlichsten
Richtungen zusammenkommen und Arlit so zu einem multiethnischen
Schmelztiegel machen.
Wie überall ist das Zusammenleben auch hier nicht einfach. In Arlit
kommen Afrikaner aus allen Winkeln des Landes mit ihren ganz eige-
nen Kulturen und Verhaltensweisen zusammen. Die Tuaregs, die sich
in Arlit vielleicht am ehesten zu Hause fühlen sollten, haben seit
langem den Eindruck, ausgegrenzt zu werden.
Der radioaktive Mineralstoff Uran nimmt einen besonderen Stellen-
wert in meinem Film ein. In ihm vereinen sich alle Probleme, die in
Arlit auftreten. Man darf nicht vergessen, dass das Uran – einer der
Haupt-Bodenschätze des Nigers – der Hauptgrund für die Aufstände
der Tuareg war, die die gesamte Region viele Jahre lang erschütterten.
Zurzeit wird der Uranabbau mit halber Kapazität betrieben, was Arlit
in eine tiefe wirtschaftliche Krise gestürzt hat. Was wird passieren,
wenn die Minen, wie es gerüchteweise heißt, ganz schließen? Wird
die Stadt dann völlig ausgestorben sein?
Anhand der persönlichen Geschichten einiger Männer und Frauen aus
Arlit versuche ich diese Fragen zu beantworten. Es sind die Schicksale
dieser Menschen, die das Gesicht der Stadt formen werden.
Idrissou Mora-Kpai


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