13 Lakes


13 Lakes 


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INHALT

Der Regisseur über den Film:
In 13 LAKES geht es um Licht. Um Licht, das vom Himmel auf Wasser
fällt. Es geht um 13 Seen. Von Wyoming nach Maine nach Kalifornien
nach Wisconsin (zurück) nach Wisconsin nach Florida nach Minnesota
nach Louisiana nach Utah nach Alaska nach Arizona nach Oregon
nach New York. Benannt nach Tieren und Mineralien, Entdeckern und
Indianerstämmen. Jackson. Moosehead. Salton. Superior. Winnebago.
Okeechobee. Lower Red. Pontchartrain. Great Salt. Iliamna. Powell.
Crater. Oneida. Geformt durch Zufall, Absicht und Natur. Mir stellte
sich das Problem, alle Seen auf die gleiche Weise zu kadrieren (halb
Himmel, halb Wasser) und gleichzeitig ihre Einzigartigkeit einzufan-
gen. In diesem Film geht es jedoch nicht nur um Licht, er fordert auch
zu der Frage auf: „Wie lange werden sie überdauern?“



   13 Lakes 
 

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Credits

Land: USA 2004.
Produktion: Calarts/Film.

Ein Film von James Benning.
Uraufführung: 20. Oktober 2004, Viennale.
Format: 16mm,
Farbe. Länge: 133 Minuten, 24 Bilder/Sekunde.


Pressematerial -
www.kinopresseservice.de

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Biofilmographie

James Benning, geboren 1942 in Milwaukee, wuchs als Sohn deut-
scher Einwanderer in Milwaukee auf und begann bereits vor seinem
Filmstudium an der Universität von Wisconsin (1975) als unabhängi-
ger Filmemacher mit der Herstellung zunächst von Kurzfilmen (ab
1972), anschließend von längeren experimentellen Filmen. In den
Jahren 1978–85 entstanden darüber hinaus verschiedene Projektions-
und Computerinstallationen. Von 1977 bis 1980 unterrichtete er an
den Universitäten von Kalifornien und Oklahoma, arbeitete anschlie-
ßend als unabhängiger Filmemacher in New York. Neben seiner Film-
arbeit lehrt Benning seit 1987 im Fachbereich Video am California
Institute of the Arts.

Filme (Auswahl)

1974: 8½ x 11. 1976: 11 x 14 (Forum 1977). 1977: One Way Boogie
Woogie. 1979: Grand Opera (Forum 1980). 1981: Him and Me. 1983:
American Dreams. 1985: O Panama (Forum 1987). 1986: Landscape
Suicide (Forum 1987). 1988: Used Innocence. 1991: North on Evers.
1995: Deseret. 1997: Four Corners (Forum 1998). 2000: El Valley Centro
(Forum 2002). 2001: Los (Forum 2002). 2002: Sogobi (Forum 2002).
2004: 13 Lakes (Forum 2005). 2004: TEN SKIES.



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James Benning

Über den Film:

Vergleichbar, aber grundverschieden
Der Vorspann zeigt in weißen Versalien der Schrifttype Omega auf
schwarzem Hintergrund den Titel des Films. In derselben typografi-
schen Behandlung nennt der Abspann jeweils einzeln die Namen der
dreizehn Seen in genau der Reihenfolge, in welcher sie im Film vor-
kommen: Jackson Lake – Moosehead Lake – Salton Sea – Lake Supe-
rior – Lake Winnebago – Lake Okeechobee – Lower Red Lake – Lake
Pontchartrain – Great Salt Lake – Lake Iliamna – Lake Powell – Crater
Lake – Oneida Lake.
Jede der dreizehn Einstellungen zeigt den Blick auf einen See, ge-
filmt vom Ufer aus, aber ohne das Ufer abzubilden. Die Bildeinstel-
lungen haben eine enorme Tiefe und sind bestimmt von einem Hori-
zont, der das Bild ziemlich genau in der Mitte zweiteilt. Die untere
Hälfte des Bildrahmens wird jeweils von der Wasseroberfläche einge-
nommen, die obere zeigt Himmel und in manchen Einstellungen die
landschaftliche Begrenzung des Sees in der Distanz. Alle Einstellun-
gen sind mit statischer Kamera gefilmt. Bewegung erscheint als Er-
eignis in der Landschaft; was sich bewegt, sind die Wasseroberflä-
che, Wolken am Himmel und in manchen Einstellungen Boote oder
Schiffe, die den Bildrahmen durchqueren. Der filmische Apparat selbst
bleibt statisch; keine Kameraschwenks, keine Zooms. Auf der Tonspur
sind die Wellenbewegungen des Wassers zu hören, das Wetter, der
Lärm von Booten und in zwei Einstellungen auch Ton aus dem Off (ein
Zug und Schüsse).
In der ersten Einstellung ist das Wasser des Jackson Lake leicht be-
wegt, aber ohne Wellen zu schlagen. Jenseits des Sees ist eine Berg-
kette zu sehen, darüber ein wolkenloser Himmel. Im Laufe der zehn
Minuten verändert sich das Licht auf den Bergen mit der aufgehenden
Sonne von einem kalten Blau zu einem warmen Orange. Die Atmo-
sphäre am Ende der Einstellung ist grundverschieden von jener am
Anfang. Der darauf folgende Moosehead Lake ist wolkenbedeckt, und
in dem fast einheitlichen Grau des Bildrahmens sind die kleinen kreis-
förmigen Wellen auszumachen, welche Regentropfen bei ihrem Auf-
treffen auf der Wasseroberfläche auslösen. In der dritten Einstellung
scheint wieder die Sonne, aber die Einsamkeit, die die ersten beiden
Bilder bestimmt, wird auf dem Salton Sea durch den Lärm der Motor-
boote gebrochen, die das Bild von links und rechts durchkreuzen und
dabei den See markieren. Im Lake Superior schwimmen Eisschollen,
und ein großes Schiff durchkreuzt die Einstellung auf seinem Weg in
den Hafen, dessen Nähe auszumachen ist. Lake Winnebago erscheint
als abstrahierte Komposition, bestimmt nur von einer Horizontlinie,
die in der Mitte den See vom Himmel trennt – keine Wolken, keine
Wellen, nur der klare Himmel und ein spiegelglatter See. Die sechste
Einstellung zeigt den sumpfgrünen Lake Okeechobee, aus welchem
alle möglichen Gewächse wie Krokodile aus dem Wasser ragen. Der
See ist still, jede Bewegung ist angehalten. Etwa eine Minute nach
Beginn der Einstellung hört man einen sich annähernden Zug, be-
kommt diesen aber wider Erwarten nicht zu sehen. Der Zug fährt
hinter der Kamera vorbei, dominiert aber dennoch das Bildgeschehen.
Das Wissen um die Kamera ist Teil des Bildes geworden. Etwa eine
Minute vor dem Ende kommt das Rattern des Zuges zu einem Ende.
Die Stille vom Beginn der Einstellung kehrt zurück, aber sowohl Lake
Okeechobee als auch der Blick auf diesen ist nicht mehr derselbe.
Strukturell vergleichbar, aber dennoch grundverschieden, zeichnen sich
auch die restlichen Einstellungen durch enorme Präzision in Bezug
auf Bildaufbau, Handlung, Licht und die Beziehung von Bild und Ton
aus. Diese Präzision dominiert alle Aspekte von 13 LAKES, von der
Grundstruktur des Films über die Abfolge der Einstellungen bis in die
Details der Komposition.
13 LAKES ist ein formaler Film von erstaunlicher Schönheit. Er ist ein
struktureller Film, der eine Geschichte erzählt. Diese Geschichte aber
ist flüchtig, und der Versuch, sie zu fassen, multipliziert diese sofort.
Solcherart erzählt 13 LAKES eine Geschichte über Landschaft, deren
Unberührtheit und deren Kulturalisierung. Er berichtet davon, dass
Landschaft eine Funktion von Zeit ist. Er erzählt von Örtlichkeit und
deren Beziehung zu Differenz; von (Bennings) Reisen quer durch die
Vereinigten Staaten, von Westen nach Osten, von Süden nach Norden
und zurück.
Reisen erzeugen Differenz und sind ein Instrument, um Dinge, um
Blicke in eine soziale Perspektive zu rücken. So entfaltet sich lang-
sam eine Geschichte des Sehens und des Blicks, jenes von Benning
genauso wie jenes des Publikums. Darüber hinaus erzählt 13 LAKES
davon, dass eine Kamera zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem
bestimmten Ort platziert und eingeschaltet wurde. Er ist ein Film der
Zeugenschaft, kein Film des Beobachtens, keine Dokumentation. Ein
Dokumentarfilm führt ein Thema vor, argumentiert, versucht zu über-
zeugen. 13 LAKES dagegen ist ein reflexiver Film, der sich selbst zum
Thema hat. Wenn es Argumente gibt, die er vorführt, bestehen diese
aus einem strikt eingehaltenen Regelwerk von arithmetischer Quali-
tät.
13 LAKES ist die Geschichte einer Methode in ihrer reinsten Konse-
quenz. Diese Methode produziert mit optimaler Effizienz und maxi-
malem Effekt eine neue filmische Form, in welcher das Strukturelle
und das Narrative einander nicht ausschließen, sondern wechselsei-
tig überlagern, ja sogar bedingen. Benning gelingt es damit, die
Beziehung zwischen einer Methode, einem Medium, einer Idee von
Natur und seiner Person als notwendige Beziehung zu artikulieren.
Das Resultat ist eine filmische Ästhetik, welche in dieser radikalisier-
ten Form ein politisches Moment aktiviert, das methodisch begründet
ist. 13 LAKES ist daher auch ein politischer Film, dessen Politik Me-
thode heißt.
Martin Beck, in: Springerin 4/04, Wien, Winter 2004/05



Interview mit dem Regisseur


Frage: Macht es Ihnen was aus, wenn Leute einschlafen oder wäh-
rend eines Films rausgehen?
James Benning: Ich nehme das nicht persönlich. Natürlich ist es mir
lieber, die Leute sehen sich die Filme an, ich verstehe aber, dass sie
einen frustrieren können, wenn man auf eine Geschichte wartet und
noch keine Übung darin hat, eine gewisse Zeit lang einfach nur zu
schauen. (...)
Wahrscheinlich fällt das Zuschauen mit der Zeit leichter. Für den Film
13 LAKES hab ich anderthalb Jahre lang an sehr weit voneinander
entfernt gelegenen Orten gedreht. Er erlaubt also, dreizehn verschie-
dene Orte kennen zu lernen, die man anders so nicht kennen lernen
könnte. Dafür muss man schon ins Kino gehen! Bis zu einem gewis-
sen Punkt trifft das natürlich auf jeden Film zu, ganz besonders je-
doch auf einen Film wie 13 LAKES. Man erfährt dreizehn unterschied-
liche, einzigartige Orte, ein Erlebnis, für das man in der Realität eben
anderthalb Jahre braucht.
Frage: Ich hab mich während des Films mitunter sehr einsam gefühlt,
entspricht das Ihrer persönlichen Erfahrung beim Drehen?
J.B.: Während der letzten paar Jahre hab ich mich dran gewöhnt,
allein unterwegs und ganz für mich zu sein. Anders könnte ich gar
nicht mehr arbeiten, denn nur das ermöglicht mir, Dinge aus dieser
sehr persönlichen Sicht zu zeigen. Insofern vermittelt der Film auch
ein Gefühl der Einsamkeit, weil man gewahr wird, dass da jemand
schaut – und dass weit und breit niemand zu sehen ist, obwohl ja der
Lake Pontchartrain zum Beispiel mitten in New Orleans liegt.
Frage: Das erinnert an klassische Parolen der Avantgardefilmer, etwa
Jonas Mekas’ „One man, one film“ – würden Sie das unterschreiben?
J.B.: Was meine Arbeitsweise betrifft auf jeden Fall. Ich kann nichts
delegieren, im Gegenteil, ich werde unruhig, sobald das Labor oder
der Vorführer den Film in die Hände bekommen. In gewisser Weise ist
mein Selbstverständnis das eines Künstlers, der mit Film arbeitet und
versucht, Ideen und Probleme filmisch zu verhandeln. In erster Linie
mache ich also für mich selbst Filme und hoffentlich mit so viel Lei-
denschaft, dass sie auch für ein Publikum interessant sind. Ich habe
13 LAKES sehr gemocht, als ich ihn mir das erste Mal angeschaut
habe, aber keine Ahnung gehabt, ob sonst noch jemand sich diesem
Film aussetzen würde. Er verlangt Geduld und Konzentration.
Frage: Eine dumme Frage: Warum Seen und warum 13?
J.B.: Primzahlen haben für mich was Magisches, ganz besonders die-
se: dreizehn klingt gut und ‘13’ sieht gut aus. Die ursprüngliche Idee
war, Licht zu filmen. So bin ich auf die Seen gekommen, allerdings
war ich nicht sicher, welchen Ausschnitt ich wählen sollte. Schließlich
hab ich mir gesagt: Okay, das Licht kommt vom Himmel, warum soll
er nicht auch den Credit dafür bekommen? Und hab mich dafür ent-
schieden, den Horizont exakt auf die Bildmitte festzulegen, so dass
man den Ursprung des Lichts und zugleich seine Reflexion auf der
Wasseroberfläche sieht. Gleich danach habe ich einen zweiten Film
gemacht, Ten Skies, der etwas kürzer und sehr viel dynamischer ge-
worden ist – ein Film über Malerei eigentlich.
Frage: Paul Strand hat in seinen späteren Jahren nur mehr den Garten
hinter seinem Haus photographiert. Stimmt es, dass Sie Ten Skies in
Ihrem gedreht haben?
J.B.: Das ist leicht übertrieben, eine Künstlerlüge. Ich habe für Ten
Skies an drei, vier verschiedenen Orten gefilmt, zwei davon befinden
sich ganz in der Nähe von Val Verde, wo ich lebe, und zwei sind
hundert Meilen weiter weg, in Südkalifornien. ‘Filmed in Val Verde’,
wie im Nachspann behauptet, ist also nicht ganz korrekt – wenn Sie
einmal hinkommen, wird Ihnen auffallen, dass es dort keinen einzi-
gen Fabrikschlot gibt.
Frage: Wenn man Ihre letzten Filme, die California Trilogy oder 13
LAKES mit seinen zehnminütigen Einstellungen sieht, ist das beinahe
so, als betrachtete man ein Gemälde: Nach einiger Zeit fängt das
Auge zu wandern an und sich seine eigene Spur durch das Bild zu
suchen.
J.B.: Stimmt, ja. Vermutlich ist es sogar einfacher, sich in ein Gemäl-
de zu vertiefen, weil sich im Film halt ständig irgendetwas bewegt,
das den Blick irritiert. Wenn ein Vogel über den See fliegt, folgt ihm
das Auge – sobald er dann aus dem Bild fliegt, ist man auch drau-
ßen. Aber natürlich geht es in dem Film auch um Zeit. Man sieht, wie
sich das Licht innerhalb von zehn Minuten verändert, etwas, das ein
Gemälde bestenfalls andeuten kann.
Frage: Inspiriert Sie die Malerei?
J.B.: Ich hab vor zwei Jahren angefangen zu malen, ich kopiere ame-
rikanische Folk Artists. Vor allem schwarze Künstler wie Bill Taylor,
der noch als Sklave geboren wurde und fünfundachtzig Jahre lang auf
Plantagen im Süden gearbeitet hat. Nachdem er sämtliche Herrschaf-
ten überlebt und eine Farm nach der anderen zugesperrt hat, ist er in
den vierziger Jahren nach Montgomery, Alabama, übersiedelt. Ob-
wohl er so viele Jahre geschuftet hat, war Taylor vollkommen pleite
und hat schließlich an irgendeiner Straßenecke zu malen angefan-
gen. Er hat sein Leben auf dem Land so vermisst, dass er es aus der
Erinnerung gemalt hat: Pferde, das Pflügen, und außerdem noch Sze-
nen, die er im Schwarzenviertel von Montgomery beobachtet hat –
eine Frau, die einen Koffer trägt, einen Mann, der betrunken durch
die Straßen stolpert… Es sind ganz einfache Bilder auf Pappkartons,
die oft fehlerhaft und schief beschnitten sind oder sonst eine sonder-
bare Form haben. Nachdem ich angefangen habe, sie zu kopieren, ist
mir klar geworden, dass dieser so genannte naive Künstler alles an-
dere als naiv war. Taylor war ein gescheiter Mann und sich nur allzu
bewusst, wie Landschaften geformt sind. Ich glaube, das Kopieren
seiner Bilder hat meinen Blick auf meine eigene Arbeit, das ‘framing‘
vor allem, verändert und geschärft.
Frage: Land-Art interessiert Sie nicht?
J.B.: Oh, doch. Einer meiner Helden ist Robert Smithson, die Art und
Weise, wie er mit Landschaft gearbeitet hat. Ich werde als nächstes
vielleicht einen Film über Güterzüge machen. Dafür habe ich viel pho-
tographiert in der letzten Zeit, etliche Pässe in den Sierras überquert
und mir angeschaut, wie die Gleise durch die Landschaft schneiden.
Das ist hochinteressant. In den Tehachapi Mountains zum Beispiel
gibt es ein berühmtes Loop, wo die Strecke um eine Anhöhe herum
eine Schleife zieht und sich ein langer Zug mit hundertfünfzig Wagons
sozusagen in den eigenen Schwanz beißt. Robert Smithson, wäre er
noch am Leben, würde vermutlich seinen Namen druntersetzen und
sagen, fertig, „here’s a ready-made“.
Frage: Sie wissen viel mehr über die Orte, die Sie filmen, als Sie dann
den Zuschauern verraten. Recherchieren Sie gern?
J.B.: Früher nicht. Damit hab ich vor zehn Jahren angefangen. Mitt-
lerweile lese ich fast nur mehr zur Recherche: Lyrik, Geschichtsbü-
cher, im Fall der Güterzüge sogar ein paar Bildbände mit diesen schreck-
lichen, auf Hochglanz polierten Photos. (…)
Frage: Vor drei Jahren haben Sie (…) darüber geschrieben, wie Sie
bei den Dreharbeiten von Sogobi beinahe in einem Sandsturm verlo-
ren gegangen wären. Heißt das, Sie lassen sich beim Drehen fallen,
von der Landschaft überwältigen?
J.B.: Natürlich ist es dumm, sich von einem Schneesturm überraschen
zu lassen oder von einem Sandsturm, der alle Fußspuren verweht
hat, oder ausgerechnet an einem Tag im Death Valley zu filmen, an
dem es über fünfzig Grad hat – und trotzdem kann das passieren,
wenn man wie besessen einem Bild nachläuft. Es ist aber nicht so,
dass ich mir einen Spaß daraus mache. Für gewöhnlich weiß ich
schon, wo ich den Wagen abgestellt habe oder dass ich nach zehn
Meilen mit einem verstauchten Knöchel besser umkehren sollte. Manch-
mal gerät man freilich auch in Situationen, die sich nicht mehr kon-
trollieren lassen. Auch jetzt bei 13 LAKES wieder, bei einer Aufnahme
in Nordminnesota. Ich hab auf der Halbinsel gefilmt, wo der Upper
und der Lower Red Lake aufeinander treffen; das Land rundherum
gehört dem Stamm der Chippewa. Ich bin am Zusammenpacken, da
taucht ein Truck auf, versperrt mir den Weg, und zwei baumlange
Kerle, die von einer Feier kommen und ordentlich was getrunken ha-
ben, steigen aus und fragen, was ich da mache. Eine langwierige
Diskussion beginnt, irgendwann sagt einer der beiden: „You’re not
going to write one of these fuckin’ books, are you…“ Ich hab genauso
reagiert wie Sie jetzt, ich hab gelacht, obwohl mir nicht wirklich nach
Lachen zumute war. Schließlich hat es zu regnen angefangen und sie
haben mich wegfahren lassen. – Später hab ich im Web eine Seite
gefunden, auf der sich die Chippewa brüsten, ungebetene Besucher
wie Sozialarbeiter, Anwälte oder Touristen mit ‘unkonventionellen Me-
thoden‘ von ihrem Land fernzuhalten. Jetzt weiß ich wenigstens, was
damit gemeint ist: totale Einschüchterung! (Lacht) Sie wollen, dass
ihr Land bleibt, wie es ist, und ich finde, sie haben völlig Recht
damit.
Interview: Michael Omasta, in: Falter, Nr. 46, Wien 2004


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